Pressemitteilung

Weltweite Proteste gegen das Leid in Syrien

17. Dezember 2016 Aleppo, Halep, Syrien, Demonstration, IGMG, Kundgebung
Weltweit nahmen an 28 Kundgebungen rund 85.000 Menschen teil an den Protesten gegen das Leid in Syrien

„Es ist nicht die Zeit des Wegsehens, sondern höchste Zeit für einen internationalen Kraftakt für die Menschen in Syrien. Ihr Leid ist unser Leid“, erklärt Kemal Ergün, Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), anlässlich der humanitären Katastrophe in Syrien und im Vorfeld des internationalen Tages der Migranten sowie des internationalen Tags der menschlichen Solidarität. Ergün weiter:

„An 28 Kundgebungen haben insgesamt rund 85.000 Menschen weltweit ihre Stimme erhoben, angesichts der humanitären Katastrophe in Syrien. Was dort geschieht und bereits geschehen ist, ist ein beispielloses Kollektivversagen der internationelan Staatengemeinschaften. Das ist ein Armutszeugnis für die Vereinten Nationen als auch die Euopäische Union und auch Einzelstaaten mit Weltmachtanspruch.

Es ist schon zynisch, dass die Vereinten Nationen in Kürze den internationalen Tag der Migranten sowie den Tag der menschlichen Solidarität begehen. Das ist geschmacklos angesichts des Leides, das die Menschen in Syrien erdulden müssen. Diese Politik entspricht weder unserem Menschenbild noch unserem Verständnis von Menschlichkeit. Deshalb werden wir nicht aufhören, zu mahnen und zu fordern: Die Politik des Wegsehens muss ein Ende finden, genauso die Abschottungspolitik gegen Flüchtende aus Kriegsgebieten.

Wer, wenn nicht wir, wann, wenn nicht jetzt, und wo, wenn nicht hier, müssen wir auf die Einhaltung und Durchsetzung der Menschenrechtscharta drängen? Deshalb ein großer Dank an alle Veranstalter und Teilnehmer, die sich heute weltweit für die Menschenwürde und das Recht auf Leben versammelt haben.“

Zu den Kundgebungen hat die IGMG in zahlreichen europäischen Städten sowie in Kanada und Australien eingeladen. Dem Aufruf zur Teilnahme sind zahlreiche Vereine, Verbände und weitere Nichtregierungsorganisationen gefolgt. Der Wortlaut der Erklärung, die auf der Kundgebung verlesen wurde:

Aleppo ist unsere Schande

Meine Damen und Herren, wir haben uns hier und heute versammelt zu einem stillen Protest. Wir wollen aufmerksam machen auf das Leid, den viele Menschen in diesen Tagen in Syrien erdulden müssen. Meine Damen und Herren, wir sind Zeitzeugen: In Aleppo ist die Menschlichkeit gestorben. Die Lebenden warten auf den Tod. Und worauf warten wir, wenn wir untätig zuschauen? Welchem unserer Werte oder Menschenrechtsideale entspricht dieses Nichtstun? Deshalb sind wir heute hier. Wir wollen und können nicht tatenlos zusehen.

Das, was in Aleppo geschieht, kann man nicht in Worte fassen. Und dennoch sind es nur Worte, die wir in die Welt setzen. Die UN-Menschenrechtskommission spricht von einem „Wegschmelzen jeglicher Humanität“. Andere berichten von „unsäglichen Grausamkeiten“ im Stundentakt.

Das sind Worte, die unsere Ohnmacht zum Ausdruck bringen. Das sind Worte, die unsere Schande überdecken sollen. Das sind Worte, die niemandem helfen. Sie helfen weder den Menschen in Not, noch werden sie uns helfen, unsere Gewissen zu beruhigen. Angesichts der humanitären Katastrophe in Aleppo sind Worte eindeutig zu wenig. Die Menschen brauchen tatkräftige Hilfe und Unterstützung.

Deshalb: Wir fordern für Syrien …
• unverzügliche Einstellung aller Kämpfe,
• Beginn von Friedensverhandlungen,
• internationale Solidarität mit den Menschen,
• uneingeschränkte Zulassung von humanitärer Hilfe aus dem Ausland,
• Errichtung von Unterkünften für die Obdachlosen,
• medizinische Hilfe für die Verwundeten und Kranken,
• Errichtung von Bildungseinrichtungen für Kinder,
• Versorgung der Menschen mit sauberem Trinkwasser und Lebensmittel,
• Wiederaufbau aller zerstörten Städte und Einrichtungen, damit die Menschen wieder ein normales Leben führen können,
• nachhaltige und kräftige Entwicklungshilfe für Gesellschaft und Wirtschaft.

Außerdem fordern wir eine humane europäische Flüchtlingspolitik: Das sind…
• sichere Fluchtwege für alle Flüchtenden,
• menschenwürdige Aufnahme und Versorgung von Menschen in Not,
• Einstellung von Abschiebungen in Kriegsgebiete,
• Einstellung von Waffenlieferungen in Kriegsregionen.

Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und alle anderen Akteure auf internationaler Politbühne werden sich von dieser Verantwortung nicht freisprechen können. Sie stehen in der Pflicht. Aber auch wir, jeder einzelne von uns, stehen in der Pflicht, auf die universellen Menschenrechte zu erinnern und auf deren Durchsetzung zu drängen.

Das, was in Aleppo geschehen ist und weiter andauert, ist ein Schandfleck für uns alle. Dort müssen Eltern zusehen, wie ihre Kinder sterben; Kinder müssen ertragen, wie ihre Eltern von jetzt auf gleich in den Tod gerissen werden. Hinzu kommen menschenunwürdige Umstände. Die Menschen müssen ohne Essen, ohne sauberes Wasser auskommen und in klirrender Kälte im Freien übernachten. Es ist so weit, dass die Überlebenden die Toten beneiden.

Und was haben wir, unsere Vertretungen seit Beginn des Krieges in Syrien getan? Ein kleiner Überblick:

Sie haben viel Geld und Zeit für Abkommen mit afrikanischen Staaten investiert. Unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe wurden und werden arme Staaten mit europäischer Grenzschutztechnik und Know-How ausgestattet, damit sie Menschen an der Flucht hindern. Staaten, die diese perfide Politik nicht mitmachen wollen, werden mit finanziellen Sanktionen erpresst.

Die Europäische Union weitet seit Beginn der Fluchtbewegungen ihre Agentur für die Grenz- und Küstenwache systematisch aus. Frontex bekommt mehr Geld und Personal, damit Menschen nicht über das Mittelmeer nach Europa kommen. Ergebnis dieser menschenverachtenden Politik ist: Seit Januar sind nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 4.000 Bootsflüchtlinge im Mittelmeer ums Leben gekommen.

Und was haben einzelne EU-Länder seit Beginn der Fluchtbewegungen getan?
• Sie haben ihre nationalen Asylgesetze verschärft,
• die Abschiebung von Menschen erleichtert,
• die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erweitert,
• Grenzkontrollen eingeführt und
• Zäune und Wände an Grenzübergängen errichtet.

Und was haben sie währenddessen für Aleppo getan? Nichts. Für Aleppo gab es nur Appelle.

Diese Politik ist ein Grund, sich in Grund und Boden zu schämen. Das tun wir. Wir schämen uns in Grund und Boden – für uns selbst und für die internationalen Staatengemeinschaften. Unser Nichtstun war nicht weniger grausam und brutal als die Kämpfe in Aleppo.

Wir wollen unsere universellen Menschenrechte zurück. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Mit diesem Satz beginnt die Menschenrechtscharta. An der Durchsetzung und Umsetzung dieses Satzes wollen wir uns selbst und unsere Vertreter auf der politischen Bühne messen – überall auf der Welt.

Aleppo soll ein Mahnmal sein. Es gibt viele Brandherde. In Myanmar, in Afghanistan und in vielen anderen Regionen der Welt steht die Menschlichkeit vor einer Bewährungsprobe. Millionen Menschen sind auf der Flucht vor Kriegen, Armut und Hunger. Die, die nicht fliehen, warten auf den sicheren Tod. Es liegt an uns und an unseren Vertretungen, etwas dagegen zu tun.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen allen im Namen der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş für Ihre Teilnahme an dieser Kundgebung. Mit vereinten Kräften sind wir noch lauter, noch stärker und noch sichtbarer. In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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