Pressemitteilung

Neuregelung der Gebetszeiten

01. Januar 2016

Mit Beschluss des IGMG Gelehrtenrates beginnt ab dem 1. Januar 2016 eine Neuregelung der Gebetszeiten.

Gründe für die Neuregelung der Gebetszeiten
Aufgrund der langen Sommertage in den nördlichen Regionen des Globus können die Gebetszeiten für das Nacht- und Morgengebet im Monat Ramadan nicht regulär bestimmt werden. Daher ist es notwendig, diese neu zu bestimmen.

Die Sommertage sind im Vergleich zu den Wintertagen erheblich länger. Dies führt zu Erschwernissen bei den Gottesdiensten. Zum Beispiel findet im Sommer das Nacht- und Tarâwih-Gebet im Anschluss an das ohnehin schon späte Abendgebet sehr spät statt. Zudem beginnt die Zeit des Morgengebets sehr früh. Daher haben Muslime oft Schwierigkeiten, ihre Gebete mit den Arbeitszeiten in Einklang zu bringen. Diese Probleme treten ab den Regionen nahe dem Mittelmeer und dem Balkan auf und nehmen in Richtung Norden zu.

Sowohl von Seiten der IGMG-Gemeinden als auch von anderen Moscheegemeinden kam immer wieder die Frage auf, ob es eine Erleichterung diesbezüglich geben könne. Dieser Frage nahm sich der IGMG Gelehrtenrat an, welcher seit 2005 die islamisch-rechtlichen und astronomischen Grundlagen für die Gebetszeiten untersucht.

Als Ergebnis dieser Untersuchungen wurde auch für die als unproblematisch geltenden Regionen eine Neubeurteilung des Verfahrens zur Bestimmung der Gebetszeiten vorgenommen. Es wurden Koranverse und Hadithe in Bezug auf mögliche Erleichterungen zugrunde gelegt und somit die ab dem 1. Januar 2016 anzuwendenden, neuen Gebetszeiten bestimmt.

Während ihren Beratungen hat der Gelehrtenrat Gespräche mit verschiedenen islamischen Organisationen geführt. Ziel war es, sich auf ein einheitliches Verfahren zur Bestimmung der Gebetszeiten zu einigen. Da in diesen Gesprächen keine Ergebnisse erzielt werden konnten, hat der Gelehrtenrat der IGMG mit der Umsetzung des eigenen Beschlusses begonnen, um die bestehenden Probleme zu lösen.

Der Beschluss des IGMG Gelehrtenrates basiert auf dem islamischen Prinzip der Erleichterung. Im Koran heißt es: „…Allah wünscht, es euch leicht – und nicht schwerzumachen…“. (Sure Bakara, 2:185)

Diskussionen über die Gebetszeiten sind nichts Neues
Im Grunde sind die Diskussionen über die Gebetszeiten nichts Neues. Auch mit der Einführung der neuen Gebetszeiten werden diese Diskussionen fortbestehen. Von den Prophetengefährten gibt es in Bezug darauf, ob die Abenddämmerung oder der „Fadschr“ dunkel oder hell ist, eine Vielzahl von Überlieferungen. Dem Buhârî-Kommentator Ibn Radschab zufolge gibt es Überlieferungen von den ersten drei Kalifen sowie von Abdullah ibn Mas’ud darüber, dass der Fadschr sowohl dunkel als auch hell war (siehe auch: Zaynuddin Abdurrahman bin Ahmad ibn Radschab, Fathu’l Bârî Scharhu Sahih al-Buhârî. Maktabatu’l Gurabâ al-Asariyya, Medina, 1996, Bd. 4, S. 432-433).

Die Uneinigkeit in Bezug auf diese Überlieferungen hat in der Zeit der Tâbiûn fortbestanden und wurde schließlich zur Zeit der Mudschtahid-Imame in einem Verfahren festgehalten. Bis zum 19. bzw. bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein wurden die Gebetszeiten von den Gebetsrufern und in großen Moscheen von für diese Aufgabe eingestellten Personen festgelegt.

Gründe für die Uneinigkeit
Die Uneinigkeit in Bezug auf die Gebetszeiten hat im Wesentlichen fünf Gründe: 1. Die in den Koranversen und Hadithen bestimmten Gebetszeiten richten sich nicht nach Uhrzeiten, sondern sind allgemeine Aussagen. Sie beinhalten nicht wie in den Kalendern Maßstäbe zur Bestimmung von Zeitpunkten, sondern beschreiben lediglich Zeitspannen.
2. Die Grundprinzipien der Rechtsgelehrten bei der Bestimmung der Gebetszeiten unterscheiden sich von astronomischen Grundsätzen. Zum Beispiel ist für das islamische Recht der Beginn der Morgendämmerung der „Fadschr sâdik”, wohingegen in der Astronomie ein solcher Begriff nicht existiert. Der „Fadschr“ in der Astronomie ist der Moment, in dem sich die Sonne 18 Grad unter dem Horizont befindet. Diese 18 Grad entsprechen jedoch nicht überall und zu jeder Zeit 72 Minuten.
3. Dass in Regionen nördlich des 48. Breitengrades das Morgengrauen sehr lange dauert oder überhaupt nicht endet, führt zu Problemen bei den Gebetszeiten für das Nacht- und Morgengebet.
4. Insbesondere in Bezug auf das Fasten wurden mit der Absicht, die Fastenzeiten richtig einzuhalten, vorsichtshalber besonders lange Pufferzeiten festgelegt.
5. Die einflussreiche Meinung Imam Âzam Abû Hanîfas, dass „die Abenddämmerung hell ist“ wurde bis hin zur Nachtschwärze interpretiert.

Wie ist die Neuregelung?
In der Neuregelung des IGMG Gelehrtenrates wird die Erde am Äquator in zwei Gebiete aufgeteilt. Das erste Gebiet erstreckt sich bis zum 48. Breitengrad nördlicher bzw. südlicher Breite, das zweite besteht aus den Gebieten nördlich bzw. südlich des 48. Breitengrades. Die Zeit für das Morgengebet in diesen Gebieten ist nach dem islamischen Recht der Zeitpunkt, der als „Fadschr sâdik” bekannt ist, also der Zeitpunkt, wenn sich das Morgengrauen über dem Osten ausgebreitet hat. Das Nachtgebet wird ab jener Zeit verrichtet, in der die Röte des Sonnenuntergangs im westlichen Horizont verschwunden ist. Die Umsetzung dieser Zeiten im neuen Gebetskalender wird wie folgt aussehen:

Gebiete zwischen 0 und 47,59 Grad nördlicher bzw. südlicher Breite
In Bezug auf Europa beginnt dieses Gebiet bei den Städten Quimper und Le Mans (Westfrankreich) und erstreckt sich südlich der Stadt Colmar, dann weiter über das Gebiet im Norden von Freiburg (Deutschland), in Richtung Osten südlich von München, über den Norden von Salzburg und ab Traiskirchen im Süden der österreichischen Hauptstadt Wien weiter nach Osten. Dieses Gebiet umfasst die südlichen Regionen Frankreichs, einen kleinen Teil Deutschlands sowie die Schweiz, ferner Italien, einen großen Teil Österreichs, den Balkan und die Türkei. Die Gebetszeit für das Morgengebet, also der „Imsak“, beginnt in diesem Gebiet 74 Minuten vor Sonnenaufgang. Abhängig von der Lage der Städte werden hier zusätzlich 4 bis 6 Minuten Pufferzeit hinzugefügt. Somit wird die Gebetszeit für das Morgengebet in diesen Gebieten ungefähr 78-80 Minuten vor dem astronomischen Sonnenaufgang beginnen.

Das Nachtgebet hingegen wird 64 Minuten nach dem Sonnenuntergang stattfinden. Abhängig von der Lage der Städte werden hierzu zwischen 4 und 6 Minuten Pufferzeit addiert. In diesen Gebieten wird die Zeit für das Nachtgebet ungefähr 68-70 Minuten nach dem astronomischen Sonnenuntergang beginnen.

Die Gebiete nördlich von 47,59 Grad
Dies sind die Gebiete nördlich der oben beschriebenen Regionen. Sie umfassen Nordfrankreich, den Großteil Deutschlands, den Norden Österreichs und England, Dänemark, Schweden sowie Norwegen.

Hier beginnt die Zeit für das Morgengebet 80 Minuten vor dem Sonnenaufgang. Abhängig von der Lage der Städte werden hierzu zwischen 4 und 6 Minuten Pufferzeit hinzugefügt. Somit beginnt die Gebetszeit für das Morgengebet in diesen Regionen ungefähr 84-86 Minuten vor dem astronomischen Sonnenaufgang.

Das Nachtgebet beginnt hier 70 Minuten nach dem Sonnenuntergang. Abhängig von der Lage der Städte werden hierzu zwischen 4 und 6 Minuten Pufferzeit hinzugefügt. In diesen Gebieten beginnt die Zeit für das Nachtgebet ungefähr 74-76 Minuten nach dem astronomischen Sonnenuntergang.

Warum eine feste Zeitspanne für das ganze Jahr?
Die Gebetszeiten wurden insbesondere für die Regionen im Norden, in denen die Tage im Sommer besonders lang sind, ermessen. Für die Wintermonate wird wie auch oben beschrieben für das Nachtgebet das Verschwinden der Sonnenröte und für das Morgengebet der am Horizont verbreitete „Fadschr sâdik” als Grundlage genommen. Für viele Organisationen beginnt dies mit dem Ende der Abendröte, also bei 16 Grad gemäß astronomischer Berechnung.

Sowohl die Beobachtungen des IGMG Gelehrtenrates als auch verschiedener anderer Einrichtungen haben ergeben, dass die Röte des Sonnenuntergangs bei einem Abstand der Sonne von 12,5 bis 16 Grad zum Horizont verschwindet. Die letzte Grenze hiervon, also 16 Grad, entspricht am Äquator 64 Minuten. Der IGMG Gelehrtenrat hat diese letzte Grenze von 64 Minuten als Zeitpunkt des Verschwindend der Abendröte festgesetzt.

Wie wurden die Gebetszeiten früher bestimmt?
Früher wurden die Gebetszeiten des IGMG Gebetskalenders auf Grundlage der Entscheidungen der „Konferenz zur Bestimmung von Hidschri-Daten und Gebetszeiten“, die von 23. bis 27. Juni 1980 in Brüssel stattfand, berechnet. Demnach wurden die Gebetszeiten des IGMG Gebetskalenders wie folgt bestimmt:

Das Nachgebet begann 1 Stunde und 30 Minuten nach dem Sonnenuntergang, das Morgengebet 1 Stunde und 50 Minuten vor dem Sonnenaufgang. (Zu jener Zeit betrug der Zeitabstand zwischen Abend- und Nachgebet in Mekka etwa 1 Stunde und 20 Minuten, zwischen Morgengebet und Sonnenaufgang etwa 1 Stunde und 30 Minuten.)

Vor dem Jahre 1982 betrug die Zeitspanne zwischen Morgengebet und Sonnenaufgang je nach Jahreszeit etwa 2 Stunden und 30 Minuten. Die Pufferzeiten wurden für jede Stadt einzeln bestimmt.

Allah weiß es am besten. Möge Allah uns nicht vom rechten Weg abkommen lassen. Möge die Neuregelung der Gebetszeiten den Muslimen von Nutzen sein.

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