Gemeinschaft
Mehr als 3000 Teilnehmer am „Uniday2009“
10. April 2009Der Vorsitzende der Studentenabteilung, Celal Tüter, begrüßte zu Beginn der Veranstaltung die Anwesenden und dankte ihnen für ihr Erscheinen. Besondere Highlights der Veranstaltung waren die Ausstellungen Sultane der Dichtung, in der die Beispiele aus der Dichtkunst einiger osmanischer Sultane präsentiert wurden, und die Istanbul Ausstellung mit älteren und aktuellen Fotographien von Istanbul. Unter anderem waren der Buch-Club, die Bildungsabteilung sowie die IGMG Zeitschriften „Perspektif“ und „Sabah Ülkesi“ mit eigenen Ständen vertreten. Ein weiteres Highlight war der musikalische Beitrag der Gruppe „Incesaz“.
Das Hauptthema der Veranstaltung war die Stellung der Muslime in Europa, das Muslimsein in Europa, die gesellschaftliche Partizipation der Muslime und die Verantwortung der muslimischen Studierenden, die universelle Botschaft des Islams zu leben und anderen näher zu bringen. Nach der Rede des Vorsitzenden der Studentenabteilung, Celal Tüter, in der er das Programm vorstellte und hervorhob, dass der Islam nun ein Bestandteil Europas sei, bekam der renommierte Islamwissenschaftler Tariq Ramadan das Wort. Ramadan begann mit einer Selbstkritik und stellte die Verantwortungen der europäischen Muslime dar. Ebenso wies er auf die Selbstverständlichkeit hin, dass die Muslime in Europa die Gesetze achten und auch dazu verpflichtet sind, sich stets an das Grundgesetz zu halten. Den Vorbehalten und Ängsten in der Gesellschaft müsse Verständnis entgegengebracht werden und der Versuch unternommen werden, durch Vertrauenswürdigkeit und gesellschaftliche Partizipation die Ängste aufzuheben.
Der Vorsitzende der IGMG, Yavuz Çelik Karahan, betonte, dass der kulturelle und künstlerische Beitrag der muslimischen Jugend in Europa wichtiger sei als die Errichtung von neuen Moscheen.
Der Generalsekretär der IGMG, Oğuz Üçünçü, machte in seiner Rede, in der er die primären Besonderheiten des Verbands erläuterte, dass der Verband weiterhin die Interessen der Muslime verfolgen, gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierungen vorgehen werde und machte deutlich, dass sich die muslimische Religionsgemeinschaft trotz des Druckes von außen nicht von der Gesellschaft abwenden wird.
Der Leiter der Fakultät für türkische Sprache und Literatur der Istanbuler Kultur-Universität, Prof. Dr. İskender Pala, brachte Beispiel aus den Werken der dichtenden Sultane vor und gab Auskunft über ihre Persönlichkeiten.
Indes verwies Prof. Dr. Numan Kurtulmuş, Vorsitzender der Saadet Partei, der für die Veranstaltung aus der Türkei angereist war, auf die Gründe der weltweiten Krise. Es sei im Grunde ein Kulturkrise. Kurtulmuş forderte anstelle der gescheiterten modernistischen Wertvorstellungen die gesellschaftlichen-moralischen Werte wiederzubeleben.
Wir nehmen euch ernst
Der Vorsitzende der Jugendabteilung, Celal Tüter, legte in seiner Rede die Hintergründe der Veranstaltung dar: „Wir wollen mit dieser euch gebührenden Veranstaltung zeigen, dass wir euch Studierende ernst nehmen.“
Tüter erinnerte daran, dass die Annahme darüber, dass die Geschichte der Muslime in Europa mit der Arbeitsmigration beginne, falsch sei. Er erinnerte an Andalusien und die osmanische Herrschaft in Teilen Europas.
In seiner Rede griff Tüter den Leitspruch der Veranstaltung, Erneuerung durch Wiederholung, auf und sagte: „Wer nicht wiederholt und zurückblickt, kann sich nicht erneuern, sich bessern. Eine gesunde Beziehung zu der Vergangenheit wird zu einer optimalen Zukunftsgestaltung führen. “
Die aktuellen Debatten um den Islam seien im Grunde ein Zeichen dafür, dass der Islam langsam als ein Teil Europas betrachtet wird. Die Studierenden sollten sich nicht von derartigen Diskussionen entmutigen lassen.
Celal Tüter erinnerte an die Aufgaben, die den Studierenden zukommen: „Wir tragen die größte Verantwortung. Wir müssen die islamische Weise des Zusammenlebens vorleben und mit neuen Wörtern in die europäischen Sprachen einbringen. Es liegt an uns, nicht bloß zu klagen, sondern Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit zu gewährleisten.“
Anschließend begann der Vortrag des Islamwissenschaftlers Tariq Ramadan, der eine Brückenfunktion zwischen Islam und Europa erfüllt.
Seinen Vortrag begann er mit den Worten: „Wir als europäische Muslime, haben egal wo wir leben, eine Verantwortung. Es ist nicht wichtig, wer was über euch sagt. Wichtiger ist, was ihr über euch selber sagt, wie ihr euch definiert. Wir sind zwar mit der türkischen oder ägyptischen Kultur groß geworden, aber wir sind europäische Muslime. Wir haben multiple Identitäten und dies ist sowohl für uns als auch für Europa eine Bereicherung. Die Zukunft Europas hängt hiervon ab.“
Des Weiteren äußerte sich Tariq Ramadan zum Thema Integration und sagte: „Wenn in Europa, insbesondere in Deutschland, von Integration die Rede ist, dann hat es meistens einen negativen Beigeschmack. Wir werden uns integrieren, aber unsere eigene Identität beibehalten. Und es wird nicht bei der Integration bleiben, wir werden unseren Beitrag für das Wohl der Gesellschaft leisten. Weiter sprach Ramadan über die Verantwortung der muslimischen Studierenden. „Es ist keine Selbstverständlichkeit Bildung in Anspruch zu nehmen. Wer studiert, übernimmt eine Verantwortung. Ihr müsst das Gelernte an die Gesellschaft weitergeben. Sofern ihr euren Status als Doktor, Ingenieur oder Professor nicht dazu nutzt um der Gesellschaft und der Umma gute Dienste zu erweisen, ist euer Titel wertlos.“
„Es gibt in Europa Ängste und Vorbehalte gegenüber dem Islam. Wir müssen uns diesen Ängsten gewahr werden, das Vertrauen der Menschen gewinnen und ihnen helfen, diese Ängste zu überwinden. Die Furcht vor den Muslimen wird von den politischen Parteien benutzt, um Politik gegen den Islam zu machen. Die politischen Parteien nutzen die Ängste und Unsicherheiten für ihre eigene Politik. Es wird versucht, unseren Einsatz gegen Ungerechtigkeiten auf der Welt in die Nähe des Antisemitismus zu rücken. Unsere Solidarität mit den Palästinensern rührt nicht vom Antisemitismus her, es ist allein das Streben nach Gerechtigkeit.“
Globale Geschwisterlichkeit
In seiner Rede hob Tariq Ramadan die Bedeutung der Geschwisterlichkeit im Islam hervor und riet den Studierenden die Nationalitäten übergreifende Geschwisterlichkeit zu stärken. Um sich einander, der Gesellschaft und der Welt öffnen zu können, sei die Überwindung der ethnischen Abgrenzung erforderlich. Weiter legte Ramadan in seiner Rede die Auseinandersetzung mit der islamischen Geschichte und dem Beitrag muslimischer Philosophen und Wissenschaftler nahe. Auch legte er den Studierenden nahe die Sprache des Landes, in dem sie leben, gut zu beherrschen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Er verwies darauf, dass Muslime die Bezeichnungen „liberale Muslime“ oder „gemäßigte Muslime“ ablehnen sollten und sich nur als Muslime bezeichnen sollten und riet den muslimischen Frauen: „Ihr solltet euch wegen eurer Kopftücher keine Grenzen auflegen, im Gegenteil, ihr solltet aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Nur mit eurer Präsenz und eurer Partizipation könntet ihr einen Beitrag für die Gesellschaft leisten.“
Des Weiteren riet Ramadan den Studierenden, sich den Menschen zu öffnen und Beziehungen aufzubauen, und gab ihnen abschließend diesen Ratschlag mit auf den Weg: „Seid barmherzig. Bedenkt stets, dass ihr Muslime seid und handelt dementsprechend.“
Nach dem Vortrag eines Gedichts durch Serdar Tuncer hielt der Generalsekretär der IGMG, Oğuz Üçüncü, eine Rede. Darin stellte er die Prinzipien des Verbandes dar und wies darauf hin, dass man sich trotz allen Bemühungen, ungerechtfertigten Beschuldigungen ausgeliefert sehe.
Üçüncü sagte: „Doch auch wenn es keinen Üçüncü mehr geben sollte, gibt es tausende andere, die seinen Platz einnehmen könnten. “ und fügte hinzu:
„Alle sollen wissen, dass wir trotz allem der Gesellschaft nicht den Rücken zukehren werden. Als Muslime kennen wir unsere Verantwortung. Die aktuellen Probleme sind vergänglich und werden in jedem Fall auch beseitigt werden müssen. Denn wir Muslime sind nun mal zu einem wesentlichen Teil der Gesellschaft geworden. Nur gemeinsam können wir die Zukunft gestalten.“
„Wir sehen unsere Aufgabe darin, unseren Beitrag zur Lösung der gesellschaftlichen und globalen Krisen der Menschheit zu leisten, wobei wir uns dabei auf unsere eigenen Wurzeln stützen. Unsere Vorschläge dürfen aber nicht aus Parolen bestehen, vielmehr müssen sie durchdacht und eine solide Grundlage haben. Genau an diesem Punkt erwartet euch eine große Verantwortung. Solange der Bildungsstandard und die Zahl unserer Akademiker nicht steigt und unsere Probleme nicht in angemessener Weise vermittelt werden können, werden diese nicht wahrgenommen werden.“
Üçüncü beendete seine Rede mit folgenden Ratschlägen:
1. Ihr habt euch entschlossen zu studieren; dann hat euer Studium Vorrang vor allem anderen
2. Eurem Studium sollte eine fachliche Vertiefung bzw. eine Doktorarbeit folgen
3. Wenn ihr studiert, habt ihr die Aufgabe diejenigen an die Hand zu nehmen, die denselben Weg wählen wie ihr. Gemeinsam werdet ihr unserer Gemeinschaft und der Gesellschaft gute Dienste leisten.
In diesen Tagen werden die Gleise für die Zukunft der Muslime gelegt. Wir gestalten die Zukunft der kommenden Generation. Daher haben wir keine Zeit zu verlieren.“
Nach dem IGMG-Generalsekretär wurde İskender Pala das Wort erteilt. Pala wies auf Fatih Sultan Mehmet, um die Bedeutung von Wissenschaft und Kultur zu beschreiben:
„Nachdem Fatih Sultan Mehmet Istanbul erobert hatte, legte er großen Wert darauf, die Stadt mit Wissenschaft, Kunst und Kultur zu bereichern. Er sagte: „Wenn ich diese Stadt nicht zu einer Stadt der Wissenschaft, Kunst und Kultur mache, ist dies nicht meine Stadt.“ Deshalb rief er alle beutenden Wissenschaftler aus dem Osten und aus dem Westen dazu auf, sich in Istanbul niederzulassen. „O ihr Künstler, wo immer ihr auch seid, kommt in meine Stadt“ sagte er und machte Istanbul zu seiner Stadt.“
Prof. Pala gab nannte auch Beispiel aus der Dichtung der osmanischen Sultane, um den Gedankenreichtum und die Tiefgründigkeit der osmanischen Herrscher zu beschreiben.
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden die Nominierten des von der IGMG-Studentenabteilung vergebenen Dr. Zeynel Abidin-Preises sowie die Gewinner des Fotowettbewerbs bekannt gegeben. Die Nominierten sind Osman Yusuf und Emine Batın vom Regionalverband Ruhr A, Berati Aksu und Zeliha Gencay aus Hamburg sowie Harun Yıldırım ve İsmihan Eymez. Die Auszeichnungen der Nominierten wurden von Vorsitzenden der IGMG-Jugendabteilung, Mesud Gülbahar, sowie der Leiterin der Jugendkommission der IGMG-Frauenabteilung, Nurcan Ulupınar, überreicht. Zeynep Aydın, die den Fotowettbewerb gewann, erhielt ihren Preis von der Vorsitzenden der Frauenabteilung.
Auch der Vorsitzende der IGMG, Yavuz Çelik Karahan, sprach am Uniday: „Jeder Jugendliche muss ein Ziel haben, aber auch die Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Junge Menschen müssen sich ihren Eigenschaften entsprechende Ziele setzen. Der künstlerische und wissenschaftliche Beitrag der Muslime ist wichtiger als die Errichtung neuer Moscheen. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es Aufklärungsarbeit zu leisten und das schlechte Bild, das die Menschen von dem Islam haben richtig zu stellen.“
Prof. Dr. Numan Kurtulmuş, Vorsitzender der türkischen Saadet-Partei, bekam anschließend das Wort. In seiner Rede nahm er Bezug zu der weltweiten Weltwirtschaftskrise und sagte: „Ich wünschte es wäre nur eine wirtschaftliche, ökonomische Krise, denn die könnte leichter überwunden werden. Diese Krise ist jedoch vielmehr eine Kulturkrise.“ Er zeigte Wege aus der Krise auf und gab den Studierenden wertvolle Ratschläge. (fy)