Gemeinschaft
„Keine Doppelstandards im Umgang mit muslimischen Jugendlichen“
27. Mai 2010Igmg.de: Zunächst möchten wir gerne mit dem Artikel in der Neue Osnabrücker Zeitung, der sich kritisch mit der in Osnabrück durchgeführten Veranstaltung „Jugendday“ befasst hat, beginnen. Man sprach von „Gehirnwäsche“. Was halten sie von dieser Beschreibung?
Mesud Gülbahar: Unsere Gemeinschaft sah sich schon öfters mit von Vorurteilen geprägten Zeitungsartikeln konfrontiert. Der von Ihnen erwähnte Artikel hat, auch wenn die Absicht darin Bestand die Öffentlichkeit zu informieren, die IGMG-Jugendabteilung fern von der Realität als ein Problem dargestellt. Die Nutzung von Begriffen, die uns nicht annähernd beschreiben, verdeutlicht, dass parteiisch berichtet wird, wenn es um die IGMG geht.
Igmg.de: Inwieweit beeinflussen solche Nachrichten ihre Arbeit?
Mesud Gülbahar: Konkret kann man sagen, dass die Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die zur Veranstaltung kommen werden und sich als ein Teil Europas sehen, solche Berichterstattungen nicht begrüßen. Dieser Bericht hat jedoch keine Auswirkungen auf die Teilnahmemotivation.
Igmg.de: Jugendliche mit Migrationshintergrund werden in der Öffentlichkeit oft als Problem dargestellt oder mit Gewalt assoziiert. Wie bewerten sie als eine europäische Gemeinschaft diese Diskussionen?
Mesud Gülbahar: Probleme, die sich insbesondere mit muslimischen und türkischen Jugendlichen ergeben, werden im Vergleich zu den Problemen von deutschen oder französischen Jugendlichen übertrieben dargestellt. Das zeigt, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Diese Probleme sind nicht einer ethnischen oder religiösen Minderheit zuzuordnen, sondern sind vielmehr ein „Jugend“-Problem.
Igmg.de: Also geht es hierbei nicht nur um ein Problem, das „muslimische Jugendliche“ betrifft, sondern ist vielmehr ein „Jugend“-Problem…
Mesud Gülbahar:…ganz genau. Wie in jeder Gesellschaft tauchen im Leben eines Jugendlichen aufgrund biologischer und sozialer Besonderheiten Probleme auf. Die Tatsache, dass ein Jugendlicher Muslim ist, eine türkische Herkunft aufweist und einen Migrationshintergrund hat, kann manche Unterschiede mit sich bringen. Aber dieses dann als ein „besonderes“ Problem darzustellen und versuchen es mit anderen Methoden zu lösen, wäre nicht richtig.
Wenn man sich die Jugendlichen in Russland, Frankreich und Japan anschaut, wird man die gleichen Probleme feststellen. Auch in solchen Gesellschaften sind Jugendphänomene wie Perspektivlosigkeit, Nachlässigkeit bei der Verrichtung der Verantwortungen, die man gegenüber der Gesellschaft hat, zu beobachten. Wie sie wissen, ist die Pubertät für den heranwachsenden Jugendlichen eine schwierige Zeit. Es ist außerdem allgemein bekannt, dass Jugendliche, die sich im Pubertätsalter befinden, Konflikte mit sich selbst und ihrer Umwelt haben. Abschließend möchte ich sagen, dass wir im Rahmen dieser Diskussionen Doppelstandards ablehnen.
Igmg.de: Nach diesen Themen würde ich gerne ein bisschen auf ihre Arbeiten und auf die Veranstaltungen der IGMG-Jugendabteilung eingehen. Könnten sie kurz den Zweck ihrer Arbeiten zusammenfassen?
Mesud Gülbahar: Wir sehen uns primär als Dienstleister. Wir möchten die Jugendlichen bei der Bewältigung ihrer Probleme unterstützen und sie auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben begleiten. Bei den Schwierigkeiten, die sich in der Familie, in der Schule oder unter Freunden ergeben, möchten wir mithelfen und dazu beitragen, dass sie eine positive Identität bilden. Als eine islamische Jugendgemeinschaft ist uns auch die Bildung einer islamischen Identität wichtig. Unsere eigentliche Aufgabe ist, dass wir die religiöse Identität der muslimischen Jugendlichen fördern.
Igmg.de: Werden sich die ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedere der IGMG-Jugendabteilung in Leverkusen zum ersten Mal treffen? Können sie uns ein bisschen über die Funktionäre und die Veranstaltungen erzählen?
Mesud Gülbahar: Wir sind eine islamische Jugendgemeinschaft mit ungefähr 3500 ehrenamtlichen Jugendleitern aus ganz Europa, die versucht, Jugendliche in all ihren Interessengebieten zu unterstützen. Unsere Jugendleiter trafen sich zum ersten Mal im Jahr 2006. Die Veranstaltung in Leverkusen wird die dritte sein. Solchen Veranstaltungen, die eine gute Brückenfunktion haben, in denen Erfahrungen zwischen Älteren und Jüngeren ausgetauscht werden können, messen wir besondere Bedeutung zu.
Igmg.de: Wo findet sich ein Jugendlicher im weiteren Leben wieder, der seine Sozialisation im Gefüge der IGMG abgeschlossen hat?
Mesud Gülbahar: Bei der Beantwortung dieser Frage sollten wir Bezug auf die Realität in Europa nehmen. Ein Jugendlicher, der bei der IGMG aktiv ist, sollte denselben Platz in der Gesellschaft einnehmen können, den auch ein Jugendlicher, der in der Jugendabteilung einer katholischen oder evangelischen Kirche mitgewirkt hat, einnimmt.
Igmg.de: Herr Gülbahar, vielen Dank für das Gespräch.
Mesud Gülbahar: Ich danke Ihnen.