Pressemitteilung
Islamische Gemeinschaft: EuGH-Urteil zum Schächten ist scheinheilig und verlogen
18. Dezember 2020„Das Leben in Europa wird für religiöse Minderheiten immer schwieriger. Gesetzgeber und Justiz überbieten sich beim Thema Tierschutz gegenseitig mit Heuchelei und Verlogenheit“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). Anlass ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (AZ: C-336/19), wonach das betäubungslose Schächten verboten werden darf. Mehrere muslimische und jüdische Vereinigungen hatten gegen ein Dekret der flämischen Region in Belgien geklagt. Bekir Altaş weiter:
„Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum betäubungslosen Schächten ist bestenfalls ein weiterer kläglicher Versuch, das eigene Gewissen in Sachen Tierschutz auf dem Rücken religiöser Minderheiten zu entlasten. Seit Jahrzehnten hecheln Gesetzgeber und Richter dem Tierschutz an der falschen Stelle hinterher.
Tierschutz ist beim religiös motivierten Schächten ein hohes religiöses Gebot. Nicht nur der finale Schächtungsvorgang, sondern auch die Tierhaltung und die Zucht sind an strenge religiöse Vorgaben gebunden und werden dem Tierschutz vollumfänglich gerecht.
Das krampfhafte Festhalten an der Betäubung reduziert den gesamten Tierschutz auf den finalen Tötungsakt. Das wird der Sache weder gerecht, noch ist er glaubwürdig, wenn Gesetzgeber und Justiz gleichzeitig der Fleischindustrie im Wettbewerb um das billigste Fleisch fernab jeder Moralvorstellung praktisch unkontrollierte Narrenfreiheit geben. Derweil zahlen Muslime und Juden aufgrund der Einhaltung zahlreicher religiöser Tierschutzvorgaben freiwillig ein Vielfaches für ihr Fleisch an der Ladentheke.
Die Scheinheiligkeit ist aber um Weiten größer als der Preisunterschied. Die zeigt sich auch darin, dass die Richter im vorliegenden Fall ausdrücklich keine Probleme damit haben, dass Betäubung im Bereich der Jagd oder bei kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen ebenfalls nicht vorgesehen ist – das sei nicht vergleichbar. Offenbar geht der ‚Tierschutz‘ dann doch nicht weiter als das eigene Vergnügen in der Freizeit und auf dem eigenen Teller.
Die Entscheidung enttäuscht sehr, überrascht aber nicht. Sie reiht sich nahtlos ein in die bisherige Rechtsprechung, in denen die Religionsfreiheit von Minderheiten immer weiter ausgehöhlt wurden. Im Mai 2018 hatte dasselbe Gericht das religiös motivierte Schächten nur in speziell zugelassene Schlachthöfe verbannt. Kein Jahr später wurde Halal-Fleisch das Bio-Logo verwehrt, weil ‚höchste Tierschutzstandards‘ nicht erfüllt würden. Welch eine Verlogenheit.
Das Leben in Europa wird für religiöse Minderheiten mit jedem dieser Entscheidungen ein Stück schwieriger.“