Freitagspredigt
Internationale Gemeinschaft muss deutlicher auf Todesurteile in Ägypten reagieren
11. April 2014„Das Gericht im ägyptischen Minya führte ein Verfahren gegen 545 Personen durch, denen Straftaten vorgeworfen werden, darunter Tötung eines Polizeibeamten, versuchte Tötung von zwei weiteren Polizeibeamten, Angriff auf öffentliche Sachen, Inbrandsetzung der Polizeistation Matay, Bemächtigung von Polizeiwaffen und Störung der öffentlichen Ordnung. Im Abschluss des Verfahrens verurteilte das Gericht 528 Personen zum Tode.
Das Verfahren war gekennzeichnet durch eine Fülle rechtswidriger Vorgänge. So wurden am 22. März 118 Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen, von denen 64 vor Gericht gestellt wurden. Die Verhandlung dauerte weniger als eine halbe Stunde. Obwohl der Staatsanwalt nach ägyptischem Recht dazu verpflichtet ist, die Tatvorwürfe vollständig und laut vorzulesen, kam er diesem nicht nach. Der Richter erlaubte der Verteidigung nicht, Zeugen zu befragen oder überprüfte nicht einmal vorgelegte Beweise der Verteidigung. Insgesamt ein beispielloses Verfahren, das an Ungerechtigkeit kaum zu überbieten ist.
Der Richter wies außerdem den Antrag der Verteidigung auf eine Fristverlängerung zurück. Die Verteidigung benötigte Zeit, um die 3.070 Seiten umfassende Verfahrensakte zu prüfen. Die Abweisung erfolgte mit der schlichten Begründung, das Urteil werde am 24. März gefällt.
Die Kritik, die einige der Verteidiger gegen die Art und Weise, wie der Richter dieses Verfahren leitete, vorbrachten, wurde unterdrückt, indem sie von bewaffneten Sicherheitskräften eingekreist und eingeschüchtert wurden. Das Verfahren wurde am 24. März unter Abwesenheit aller Beschuldigten fortgesetzt. Ebenso war keiner der Verteidigeranwälte bei der Verhandlung anwesend. Ihnen war verboten worden, das Gericht zu betreten.
Dieses Urteil ist eine Beugung des Rechts. Zugleich ist es das Ergebnis eines Verfahrens, bei dem in beispielloser Weise Recht und Gerechtigkeit missachtet worden sind. Es ist gänzlich im Schatten der Führer des Militärputsches zustande gekommen.
Der Richter wird, nach Hinzuziehung der Meinung des Großmuftis, das endgültige Urteil am 28. April verkünden. Deshalb sind alle internationalen Institutionen und Regierungen aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die ägyptische Führung unverzüglich Maßnahmen ergreift: Aufhebung der Todesurteile, Widerruf der rechtswidrigen Beschlüsse, Freilassung der Festgenommenen, Beendigung von Folter und Unterdrückung der Bevölkerung. Das wäre ein Zeichen, dass der Wille des ägyptischen Volkes respektiert wird.“