Gemeinschaft
IGMG hat neuen Vorstand gewählt
16. Mai 2011Die Delegiertenversammlung begann mit einer Koranrezitation, vorgetragen von dem Gewinner des diesjährigen Koranrezitationswettbewerbs Ali Mahmood aus dem Regionalverband Schwaben. Anschließend wurde Ramazan Uçar, Vorsitzender des IGMG-Landesverbands Hamburg zum Versammlungsleiter, Engin Karahan zum Schriftführer und zu weiteren Mitgliedern der Versammlungsleitung Emir Demirtaş, Vorsitzender des Regionalverbands Alpes, Murat İleri, Vorsitzender des Regionalverbands Nordruhr sowie Bekir Altaş gewählt.
Nachdem der Versammlungsleiter die Beschlussfähigkeit der Delegiertenversammlung feststellte, ging man zur Tagesordnung über. Ramazan Uçar bedankte sich bei den Delegierten und informierte die Delegierten über die anstehenden Abstimmungen. Anschließend wurde ein kurzes Video über die wichtigsten Stationen im Leben des bisherigen IGMG-Vorsitzenden Yavuz Çelik Karahan präsentiert. Anschließend wurde Karahan unter lang anhaltendem Applaus auf die Bühne gebeten.
Karahan gedachte in seiner Abschiedsrede den Gründern der IGMG und würdigte die Dienste der ersten Mitglieder. Die Grundprinzipien der IGMG beschrieb Karahan wie folgt: „Wir haben weder fehlgeleitet, noch ließen wir uns fehlleiten – und so wird es auch in Zukunft sein. Wir handelten und handeln stets nach dem Vorsatz: Ein Muslim ist derjenige, der aufrichtig ist, und zwar in Wort und Tat.“
Ferner sagte Karahan: „Wir haben stets nach folgenden Prinzipien gehandelt:
1. Die IGMG ist eine islamische Religionsgemeinschaft.
2. Die Umma liegt uns am Herzen. Wir betrachten jeden, der die Worte „Aschhadu allâ ilâha illallâh wa aschhadu anna Muhammadan abduhû wa Rasûluh“ (Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Allah gibt und ich bezeuge, dass Muhammd sein Diener und Gesandter ist.) spricht, als unsere Geschwister – unabhängig von Rasse, Nationalität oder Herkunft.
3. Wir handeln nach den Maßstäben der Abschiedspredigt des Propheten. Er sagte: „O meine Gefährten! Ich hinterlasse euch zwei Dinge. Wer dieses euch Anvertraute bewahrt, den wird Allah bemächtigen und wer sich von ihnen entfernt, den wird Allah erniedrigen.“ Unsere Gemeinschaft nahm sich dies stets zu Herzen und machte den Koran und die Sunna zum Ausgangs- und Mittelpunkt ihrer Arbeit.
4. Ferner versuchen wir den Menschen, das richtige Verständnis von Dschihad zu vermitteln. Entgegen der allgemeinen Annahme, Dschihad sei Terror und Gewalt, handelt es sich dabei um das Streben nach Glück, Frieden und Harmonie.
5. Wir haben ein ungetrübtes Islamverständnis. Es gab und gibt Menschen, die bestimmte Koranverse ausradieren und den Islam „reinigen“ wollen. Andere machten sich lustig über den Islam, setzen ihn herab und wollten einen Islam nach ihren eigenen Vorstellungen. Vor diesem Hintergrund besitzen wir ein ungetrübtes Islamverständnis.
6. Die IGMG ist weder eine Partei noch eine politischen Bewegung. Jedoch verfügt sie über ein gesellschaftspolitisches Bewusstsein. Imam Abû Hanifa sagte: „Ein Muslim ist über die Geschehniss in der Welt informiert und bezieht angesichts der Geschehnisse Stellung.“ So werden auch wir stets die Ereignisse um uns herum verfolgen und uns bei jeglicher Art von Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu Wort melden.
Verehrte Geschwister, seit meinem Amtsantritt habe ich auf Worte Taten folgen lassen, unsere institutionelle Einheit und unseren konstruktiven Kommunikationsstil zu bewahren versucht. Auf diese Weise haben wir der Öffentlichkeit den Islam und unsere Tätigkeiten präsentiert.
Unsere Gemeinschaft war in vielen Bereichen ein Vorreiter. Während meiner neunjährigen Amtszeit entstanden viele neue Projekte. Dazu gehören die Einführung der Vorschulgruppen und die Gründung von 80 Bildungszentren in unseren Regionalverbänden. Im Bereich der Gemeindeentwicklung können die folgende Erneuerung als Beispiel angeführt werden: die Frauen-Jugendorganisation, die „Maide-Koranveranstaltungen“, Gedenkveranstaltungen, die Jugend-Umra, die Studentenabteilung sowie die Förderung von Studierenden, Bildungsprojekte wie „Yıldız“ und „Hilal“ sowie Familienbildungsprojekte.
Verehrte Geschwister, bei unseren Hilfsprojekten achten wir nicht auf die Religion der Bedürftigen. Unsere Hilfsprojekte umfassen den Bau von Schulen, Gesundheitszentren, Waisenhäusern, Wasserbrunnen sowie die Opfertierkampagne.“
Darüber hinaus zitierte Yavuz Çelik Karahan einige Koranverse und Hadithe des Propheten.
„In der Sure Hûd heißt es: „Sei daher aufrecht, wie es dir und denen aufgetragen wurde, die sich mit dir bekehrten, und überschreitet nicht das Maß. Fürwahr, Er sieht, was ihr tut. Und neigt euch nicht denen zu, die Unrecht begehen, sonst erfasst euch das Feuer. Und außer Allah habt ihr keinen Beschützer und findet ihr keinen Helfer.“ Wir handelten nach diesen Grundsätzen, blieben aufrecht, wendeten uns nicht jenen zu, die Unrecht begehen und protestierten dagegen.
Verehrte Geschwister, wir müssen Abstand nehmen von Taten, die dem Band der Geschwisterlichkeit schaden können. In einem Hadith wird die Beziehung zwischen Muslimen direkt mit dem Glauben in Verbindung gebracht. Diesen Hadith müssen wir beherzigen.
„Sei gemäßigt in deiner Liebe und deiner Abneigung. Denn eines Tages kann ein von dir wertgeschätzter Mensch zu deinem Feind werden, genauso wie ein Feind zu einem Freund werden kann“, ist ein weiterer wichtiger Ausspruch des Gesandten Allahs.
Verehrte Geschwister, ich möchte den Vorstandsmitgliedern, den Regionalverbandsvorsitzenden, den Jugend- und Frauenorganisationen, den Gemeindemitgliedern, die mich während meiner Amtszeit unterstützt haben, meinen Dank aussprechen. Auch der neue Vorsitzende, der heute gewählt wird, sollte sich eurer Unterstützung sicher sein“, so Karahan abschließend.
Oğuz Üçüncü überreichte Karahan stellvertretend für alle Delegierten eine Dankesplakette.
Üçüncü hielt anschließend eine Rede, in der er zunächst die Verfahren gegen die IGMG kritisierte. „Die Ermittlungen gegen die IGMG sind auch nach drei Jahren nicht abgeschlossen. Die Ermittlungen gegen meine Person wurde sang und klanglos nach 19 Monaten eingestellt“, sagte Üçüncü. Die Verfahren gingen nicht auf ein Fehlverhalten der IGMG zurück, sondern seien ein Druckmittel gegen die Gemeinschaft, betonte der Generalsekretär. „All dies wiederfuhr uns aufgrund unserer Haltung gegen Ungerechtigkeit, Islamfeindlichkeit und unserer Entscheidung, Missstände offen anzusprechen“, so Üçüncü. Der IGMG-Generalsekretär verwies ferner auf die gegenwärtige negative Stimmung gegen Muslime in Europa. Bestimmte Ereignisse hätten zu einem negativen Islamverständnis geführt. Die Einwände der IGMG gegen die Versuche, Muslime zu assimilieren, gegen die Sicherheitspolitik und gegen die insgeheimen Wünsche, die Inhalte der islamischen Religion festzulegen, hätten ihre Wirkung gezeigt.
Angesichts dieser Entwicklungen habe das Vertrauen der Muslime in die IGMG zugenommen. Mit der zunehmenden Zahl der Moscheen habe auch die Zahl der Mitglieder zugenommen. Die Jugend- und Frauenabteilungen seien aktiver als je zuvor. Viele machten Gebrauch von den Angeboten der IGMG, beispielsweise den Bildungsangeboten oder Umra-Reisen.
Weiterhin verwies Oğuz Üçüncü auf Hilfsprojekte als eine Pflicht gegenüber der Umma. Hilfs-und Sozialprojekte wie der Bau von Schulen, Waisenhäusern und Wasserbrunnen würden auch in Zukunft fortgesetzt. Erstrangiges Ziel sei es zwar, die Probleme der Muslime in Europa anzugehen. Jedoch dürfe dabei die Not der Bedürftigen in der Welt nicht in Vergessenheit geraten.
Oğuz Üçüncü beendete seine Rede mit den folgenden Worten: „Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş, die größte zivile islamische Organisation, die von türkischstämmigen Muslimen gegründet wurde, ist mit ihren Grundprinzipien, ihrer Haltung, ihren Arbeitsprinzipien sowie ihrem weitgefächerten Angebot unser aller Stolz. Mit der Zusammenarbeit zwischen der IGMG-Zentrale, den Regionalverbänden, Gemeinden und Gemeindemitgliedern wird die IGMG den Muslimen in Europa den Weg ebnen und ihre Bemühungen um die Gleichbehandlung des Islams fortsetzen. Ferner werden wir, so Allah will, für die religiöse Bildung der nachkommenden Generationen sorgen und ihnen helfen, ihre muslimische Identität zu bewahren. Bei der Umsetzung dieser Ziele ist es wichtig, das Wohlgefallen Allahs anzustreben sowie unsere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Umma zu erfüllen. Ferner möchte ich an die notwendige Institutionalisierung und Aufstockung der Mitarbeiterzahl erinnern“, sagte Üçüncü abschließend.
Nachdem İbrahim Yüksel den Finanzbericht vorlegte, begannen schließlich die Abstimmungen für die Wahl des Vorstands der IGMG. Kemal Ergün, der von vielen Regionalverbands- und Gemeindevorsitzenden als Kandidat vorgeschlagen wurde, wurde zum neuen IGMG-Vorsitzenden gewählt. Oğuz Üçüncü wurde zum IGMG-Generalsekretär wiedergewählt, während Hakkı Çiftçi zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde.
In seiner Antrittsrede dankte Kemal Ergün seinem Vorgänger Yavuz Çelik Karahan für seine langjährigen Dienste und kam in seiner Rede auf die Stellung der Muslime in Europa zu sprechen. Muslime müssten sich nicht als Migranten fühlen. Er erinnerte an die muslimische Präsenz in Europa in Andalusien, Sizilien und zur Zeit des Osmanischen Reiches. „Wir haben die Verantwortung, zu unseren historischen Wurzeln zurückzukehren. Doch dabei müssen wir aus der Gegenwart in die Zukunft blicken, nicht aus der Vergangenheit. Unsere Geschichtsdeutung legt die Grenzen unseres Horizonts fest. Eine gesunde Beziehung zu unserer Vergangenheit wird in einer positiven Zukunft resultieren“, sagte Kemal Ergün. In den vergangenen 50 Jahren habe die Gewährleistung der religiösen Grundbedürfnisse bei den Arbeiten der IGMG im Vordergrund gestanden. Heute kämen zu diesen Aufgaben viele neue hinzu.
„Türkischstämmige Migranten sind längst keine Gäste mehr. Heute wird dies von nahezu allen akzeptiert. Daher gibt es viele Dimensionen der Islamdebatte und der Diskussionen über die Muslime in Europa. Unsere Pflicht ist es, Lösungen für diese Debatten zu finden, die mit unserer islamischen Identität im Einklang stehen. Wir müssen uns bemühen, Missverständnissen über den Islam entgegenzuwirken. In Europa lernen die Menschen den Islam nicht auf direktem Wege kennen. Sie blicken durch die Brille, die den Islam mit Terror gleichsetzt. Aus diesem Grund ist es unsere Pflicht als Muslime, auch zur Kultur und Kunst der Gesellschaft, in der wir leben, beizutragen und die Bevölkerung vertrauter mit dem Islam zu machen.
Es ist unsere Pflicht, für Vielfältigkeit einzustehen und uns gegen die zunehmende Vereinheitlichung zu stellen, Vielfältigkeit als Gewinn zu betrachten und Europa mit der islamischen Kultur vertraut zu machen. Diesen Pflichten müssen wir auf die beste Art und Weise nachkommen.“
Muslime dürften sich nicht von den aktuellen Diskussionen und den sich wiederholenden Polemiken entmutigen lassen, sagte Kemal Ergün ferner und kündigte an, das Hauptgewicht auf Dienstleistungen zu legen.
„Unsere Tätigkeiten in den Bereichen Familienberatung, Bildungszentren, Studentenwohnheime, Rat für religiöse Fragen, Zentren für Imam-Ausbildung, Akademie für Leiter und Öffentlichkeitsarbeit werden zunehmen. Damit die Muslime in Europa in der Zukunft ihre islamische Identität bewahren und den nachfolgenden Generationen vermitteln können, kommt der IGMG eine große Verantwortung zu.
Wir wünschen uns eine gerechte Gesellschaft. Wir sind gegen ein Gerechtigkeitsverständnis, das sich entsprechend den vorliegenden Bedingungen ändert. Ich möchte an einen in schwerster Not gemachten Ausspruchs Alija Izzetbegovics erinnern: „Auch wenn wir uns im Krieg befinden, der Feind ehrlos vergewaltigt, müssen wir der Gerechtigkeit treu bleiben.“
Darüber hinaus verfügen wir über eine vergebende und barmherzige Eigenart. Wir erklären es zu unserem Grundprinzip, unserem Gegenüber zu vergeben und ihm nicht mit Übel sondern mit Barmherzigkeit zu begegnen. Wir arbeiten ferner nicht für das Diesseits, sondern für das Wohlgefallen Allahs.“
Nach der Dankesrede Kemal Ergüns kamen Ahmet Rüdşü Banaz, einer der ersten IGMG-Gründer, die ehemaligen Vorsitzenden Ali Yüksel und Yavuz Çelik Karahan sowie der IGMG-Generalsekretär Oğuz Üçüncü auf die Bühne, um dem neuen Vorsitzenden zu gratulieren und ihm ihre Unterstützung auszusprechen.
Die vierte IGMG-Volversammlung endete mit einem gemeinsamen Bittgebet. Der neue IGMG-Vorsitzende Kemal Ergün nahm anschließend Glückwünsche entgegen.
Kemal Ergün: Der neue IGMG-Vorsitzende Kemal Ergün kam 1967 in der türkischen Stadt Ordu zur Welt. Nach einem Studium an der Universität Istanbul studierte Ergün an der Al-Azhar Universität in Ägypten Hadithwissenschaft und machte seinen Abschluss im Jahre 1992. Im Jahr darauf begann er seine Tätigkeit als Imam in Frankfurt. Nach 1994 war er als Imam und Vorstandsmitglied im Regionalverband Rhein-Neckar-Saar tätig. Seit 2002 war er als Regionalverbandvorsitzender in Köln tätig. 2003 übernahm er den Posten des Hadsch-Leiters. Zuletzt legte Kemal Ergün seine Masterarbeit über Deutschlands Migrations- und Integrationspolitik an der Anadolu Universität ab.
Oğuz Üçüncü: Der zum IGMG-Generalsekretär wiedergewählte Oğuz Üçüncü kam 1969 in Hamm zur Welt. 1994 schloss er sein Maschinenbau-Studium ab und war jahrelang in der IGMG-Jugendabteilung in verschiedenen Positionen tätig. Seit 2002 ist er Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Hakkı Çiftçi: Der zum stellvertretenden IGMG-Vorsitzenden gewählte Hakkı Çiftçi kam 1965 zur Welt. Er ist seit 1985 innerhalb der IGMG aktiv. Er war Gründungs-Vorsitzender des Regionalverbands Rhein-Neckar-Saar. Zuletzt war er stellvertretender Vorsitzender der Hadsch- und Umra-Organisation.