Pressemitteilung
IGMG fordert lückenlose Aufklärung des homegrown-Terrorismus
16. November 2011„Dass Terroristen zehn Menschen umbringen, zahlreiche Banken überfallen und über dreizehn Jahre nicht gefasst werden, hätte man in Deutschland kaum für möglich gehalten. Diesen Eindruck bekommt man jedenfalls, wenn man sich die Intensität der Anstrengungen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus vor Augen führt.
Wenn es aber um den hausgemachten Terrorismus geht, scheinen andere Maßstäbe zu gelten. Dass die bisher bekannten Täter und Verdächtige erst nach 13 Jahren „šbekannt‘ werden, obwohl nur beim thüringischen Landesverfassungsschutzamt 24 Aktenordner über die Terror-Gruppe und ihr Umfeld gefüllt wurden, spricht für sich und bedarf keiner Worte. Ebenso, dass die Behörde jahrelang rassistische Veranstaltungen über V-Leute finanziell und personell unterstützt hat. Die zwischenzeitliche Kriminalisierung der Opfer indes ist wiederum eine Dimension für sich. Mögliche Verwicklungen in Mafia-Strukturen bis hin zu Glücksspielschulden wurden den Verstorbenen nachgedichtet. Dass man über die ganzen Jahre über mögliche rechtsextremistische Hintergründe nichts gehört und gelesen hat, spricht ebenfalls Bände.
Den Hinterbliebenen kann man an dieser Stelle nur Beileid aussprechen und Geduld wünschen.
Spätestens während des Verbotsverfahrens der NPD erfuhr jedermann, dass die rechtsextremistische Szene mit V-Leuten durchsetzt gewesen ist. Jeder 7. NPD-Funktionär war ein V-Mann, oftmals auch solche Leute, auf deren Äußerungen und Handlungen sich das Verbotsverfahren stützte. In diesem Zusammenhang stellt sich zwingend die Frage, welche Rolle Mitarbeiter des Verfassungsschutzes bei diesen Terrorakten gespielt haben. Waren sie beteiligt, haben sie Unterstützungsleistungen vorgenommen, haben sie Neonazis gedeckt? Haben Sie weggeschaut? Fragen, die sich zwingend stellen.
Es ist an der Zeit, die Taten und die möglichen Hintergründe samt Helfer und Helfershelfer lückenlos aufzuklären. Anschließend sind Konsequenzen zu ziehen. Nur so kann vom bereits tief erschütterten Vertrauensverhältnis weiterer Schaden abgewendet werden. Sollte das nicht gelingen, wird das eine tiefe Wunde mit irreparablen Spuren hinterlassen.
Dabei muss die alleinige Fokussierung auf die nun bekannten Verbrechen, aber auch auf die geistigen Brandstifter in der NPD und ihrem Umfeld hinterfragt werden. Eine auf Aktionismus zielende Diskussion erschöpft sich in der Forderung nach einem NPD-Verbot, unterdrückt jedoch die überfällige Debatte über die Gefahren des grassierenden Rechtspopulismus als Nährboden für die Verbreitung von Rassismus. Während unzählige Studien seit Jahren vor der zunehmenden Vergesellschaftlichung von rassistischen Stereotypen warnen, werden sie andernorts meistens unter dem Deckmantel der Islamkritik bemüht und kultiviert. Damit wird immer mehr der Boden für Hass und Ausgrenzung bereitet. Dass Jugendliche auf dieser Grundlage radikalisiert werden könnten, wird im Zusammenhang mit Rechtspopulismus bemerkenswerterweise nicht erörtert.
Es bleibt fürs Erste zumindest zu hoffen, dass Politiker und Publizisten, wenn sie im Rahmen der sog. Integrationsdebatte Statements abgeben, sachlich bleiben und vor allem auch den Ton anpassen. Pauschale Stigmatisierungen, gruppenbezogene Anschuldigungen oder das Herbeibeschwören von vermeintlichen Gefahren, die von Minderheiten ausgehen, sind der Nährboden für den rechtsextremistischen homegrown-Terrorismus und haben keinen Platz in einer pluralistischen Gesellschaft.“