Freitagspredigt
Hutba: Gewalt und Unterdrückung in Arakan
26. April 2018Verehrte Muslime!
Jeden Tag wird über Menschenrechten gesprochen, aber jeden Tag werden überall auf der Welt genau diese Menschenrechte verletzt. Viele Menschen werden wegen ihrer Religion, Sprache oder Ethnie verfolgt und diskriminiert. Die Menschenwürde wird dabei völlig außer Acht gelassen. Das haben wir in der Vergangenheit in Srebrenica gesehen, und heute ereignet sich dasselbe in Arakan. Der schreckliche Anblick von vertriebenen, missbrauchten oder ermordeten Rohingya Muslimen ist nicht zu ertragen. Unsere Geschwister in Südostasien sind von einem gewaltsamen und systematischen Völkermord bedroht. Doch die Welt schweigt. Die Vereinigten Nationen, internationale Institutionen sowie Menschenrechts-organisationen und auch die muslimische Welt scheinen das Verbrechen gänzlich zu ignorieren.
Liebe Geschwister!
In Myanmar wurde der Islam im ersten Jahrhundert der Hidschra durch muslimische Händler verbreitet. Der Prophetengefährte Wakkas ibn Mâlik (r) betrat mit seinen Begleitern als erster muslimischer Händler das asiatische Land. Im 13. Jahrhundert war die gesamte Bevölkerung muslimisch geworden. 1430 wurde der Staat Rakhine gegründet und bis 1784 hatte er die führende Macht. Mit dem Untergang der Regierung wurde das muslimische Volk durch radikale Buddhisten zum Religionswechsel gezwungen. Trotz Unterdrückung und Verfolgung blieben die muslimischen Rohingya standhaft und verließen ihre Religion nicht. Daraufhin verübten birmanische Buddhisten einen brutalen Völkermord an deb muslimischen Rohingya. 1942 wurden im gesamten Land schätzungsweise mindestens 150.000 muslimische Rohingya ermordet. Viele Hunderttausende Rohingya flohen währenddessen aus ihrer Heimat und suchten Zuflucht in den Nachbarländern.
Verehrte Muslime!
Die gewaltsame Verfolgung in Myanmar wird heute wiederholt und hat das Ausmaß eines Völkermordes erreicht. Im vergangen Jahr mussten 600.000 Menschen unter schweren Bedingungen in das benachbarte Bangladesch fliehen. Tausende Frauen, Kinder und alte Menschen wurden getötet, viele mussten auf der Flucht ihr Leben lassen.
Als Muslime teilen wir das Leid unserer Geschwister. Wir rufen die gesamte Menschheit zu Solidarität und Mitgefühl auf. Niemand darf den Hilferuf der Unterdrückten ignorieren, niemand darf wegschauen. Unser Prophet sagte: „Wenn Menschen einen Unterdrücker sehen, ihn jedoch nicht davon abhalten, ist es wahrscheinlich, dass Allah sie alle bestrafen wird.“[1] Diese weisen Worte machen uns eines klar: Eine Welt, die zu Unterdrückung schweigt, wird selbst ins Chaos stürzen.
Liebe Geschwister!
Im Koran werden die Eigenschaften der Muslime wie folgt beschrieben: „Und die auf ihren Erhalter hören und das Gebet verrichten und deren Angelegenheiten (eine Sache) gegenseitiger Beratung ist und die von dem, womit wir sie versorgten, spenden. Und die, wenn sie unterdrückt werden, sich zur Wehr setzen.“[2]
Verehrte Geschwister!
Wir dürfen nicht stillschweigen. Deshalb haben die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş und die Hilfsorganisation Hasene eine internationale Konferenz organisiert, die vom 2. bis 3. Mai in Köln stattfinden wird. Im Rahmen dieser zweitägigen Konferenz werden internationale Politiker, Künstler, Akademiker sowie Journalisten und Aktivisten zusammenkommen. Die Konferenz verfolgt das Ziel, den muslimischen Rohingya beizustehen. Dabei soll die humanitäre Krisensituation sowie mögliche Lösungswege in die Öffentlichkeit getragen werden.
Die IGMG und Hasene reichen den Rohingya Muslimen ihre helfende Hand, geleitet von den prophetischen Worten: „Derjenige, der die Sorgen der Muslime nicht teilt, gehört nicht zu uns.“ Uns Muslimen darf die Krisensituation in Myanmar nicht egal sein. Deshalb wird eine solche Konferenz organisiert. Allah möge sie erfolgreich werden lassen.
Liebe Geschwister!
In der Nacht von Montag auf Dienstag ist die Berât-Nacht, also die Nacht der Vergebung. Unser Prophet sagte: „Wenn die fünfzehnte Nacht des Schabân kommt, fragt Allah: ‚Gibt es niemanden, der mich um Verzeihung bitten möchte, damit ich ihm verzeihe? Gibt es niemanden, der Gaben (Rizk) von mir möchte, damit ich sie ihm gebe? In dieser Nacht werden alle Bittgebete erhört, außer von solchen, die Unzucht begehen und zu den Götzenanbetern gehören.’“[3]
Wir wünschen allen Muslimen eine gesegnete Berât-Nacht und hoffen, dass es uns möglich sein wird, die Nacht mit Gebeten zu verbringen. Lasst uns unsere Geschwister in Arakan in dieser Nacht in unsere Gebete einschließen. Möge Allah ihnen und allen anderen Armen und Bedürftigen beistehen.
[1] Tirmizî, Tafsîr, 5, Hadith Nr. 3057
[2] Sure Schûrâ, 42:38-39
[3] Bayhakî, Fadâil al-Awkât, Hadith Nr. 34