Freitagspredigt
Hutba: Das höchste Geschöpf: der Mensch
05. November 2020Verehrte Muslime!
Wir leben in schweren Zeiten und stehen vor großen Herausforderungen. In vielen Teilen der Welt haben Hass und Feindschaft überhandgenommen. Möge Allah unsere Prüfung erleichtern und sie für uns gut enden lassen. Gerade in diesen Zeiten wird uns erneut bewusst, wie wichtig es ist, uns an die Grundwerte unserer Religion zu erinnern, sie zu verinnerlichen und zu leben. Deshalb geht es in unserer heutigen Hutba um den Menschen als das höchste aller Geschöpfe und seine diesseitige Prüfung.
Liebe Geschwister!
Der Mensch ist zweifellos das höchste aller Geschöpfe. Darauf wird an vielen Stellen des Korans hingewiesen. In der Sure Tîn heißt es: „Wir erschufen den Menschen gewiss in schönster Gestalt.“[1] Die Gelehrten verstanden diesen Vers so, dass der Mensch hinsichtlich seines Äußeren wie auch seines Inneren, also seiner spirituellen Vervollkommnung, in schönster Gestalt erschaffen wurde und damit das höchste aller Geschöpfe ist.
Aus dem Koran erfahren wir außerdem, dass der Mensch mit wichtigen Potenzialen und Fähigkeiten ausgestattet wurde und ihm Verantwortung auferlegt wurde. Deshalb heißt es auch an vielen Stellen des Korans, dass der Mensch zum Statthalter Allahs auf Erden gemacht wurde, um das Gute auf der Welt zu verbreiten und das Schlechte zu verhindern.
Unser Schöpfer, der dem Menschen eine solche Stellung gegeben hat, möchte, dass er auch entsprechend handelt. Deshalb lässt Allah dem Menschen die Freiheit, sein Leben so zu gestalten, indem er ihm einen freien Willen gab. In seiner Weisheit zeigt er ihm jedoch Wege und Möglichkeiten, damit der Mensch den wahren Weg findet. Allerdings sind der Schaytân und der Nafs Hindernisse und Prüfungen auf diesem Weg.
Wenn der Mensch seinem Versprechen gegenüber Allah nicht treu bleibt, seinem Nafs folgt und seinen niederen Gelüsten verfällt und auch noch dem Schaytân zum Opfer fällt, dann verliert er die Schönheit seiner Erschaffung. Damit bewegt er sich in die genau entgegengesetzte Richtung, nämlich in die Richtung der Irregeleiteten. Im Koran heißt: „Dann machen wir ihn wieder zum Niedrigsten der Niedrigen.“[2]
Verehrte Muslime!
Wir haben in den letzten Tagen voller Schrecken und tiefer Trauer miterlebt, wozu der Mensch imstande ist, wenn er seinem Nafs und dem Schaytân folgt. Die Schandtaten der Täter in Frankreich und Österreich, die Menschen gnadenlos ermordeten, haben uns tief bestürzt.
Unsere Haltung als Muslime gegenüber solchen Untaten ist klar. Niemand hat das Recht, einem unschuldigen Menschen das Leben zu nehmen. Das ist ein Grundsatz unseres Glaubens. Deshalb stellen wir uns gegen jede Form von Gewalt, Unterdrückung und Terror, ganz egal, wer sie ausübt und an wen sich diese Gräueltaten richten, egal ob in Wien, Kabul, Ostturkestan oder Jemen.
Unser Prophet ﷺ sagte: „Der beste unter euch ist, wer den Menschen am nützlichsten ist.“[3] In diesem Sinne laden wir Muslime die Menschen zum Guten ein und halten sie vom Bösen fern. Wenn die Menschen sich an dieses Prinzip halten würden, würde es keine Armut, keine Unterdrückung und keine Ungerechtigkeit mehr auf der Welt geben. Deshalb setzen wir uns für das Wohl der Gesellschaft ein, in der wir leben, und leisten so unseren Beitrag für das Zusammenleben.
Mögen Allah uns am Tag der Auferstehung zu den guten Menschen gehören lassen. Möge er uns unsere Prüfung im Diesseits wie auch im Jenseits erleichtern.
[1] Sure Tîn, 95:4
[2] Sure Tîn, 95:5
[3] Tabarânî, Al-Mudscham al-Awsat, 6/58, Hadith Nr. 5787