Freitagspredigt

Hutba – Gerechtigkeit, aber für alle!

07. Januar 2009

Verehrte Muslime,

Gerechtigkeit bedeutet, ausgewogen zu handeln, allem und jedem das zu geben, was ihm zusteht und den Weg der Mitte zu gehen. Das Gegenteil von Gerechtigkeit ist Unterdrückung, Unerbittlichkeit und Ungerechtigkeit. Unsere Religion misst der Gerechtigkeit einen hohen Stellenwert bei; vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, Menschen dürfen nicht anders behandelt werden, weil sie einer anderen Kultur angehören oder einen anderen Bildungs- und Sozialstatus haben. In diesem Sinne hat die Gerechtigkeit einen festen Platz innerhalb der Religion. Nicht die Willkür, der Vorteil, die Verwandtschaftsbeziehung, der Reichtum, das Ansehen oder die Macht sind der Maßstab, sondern die Gerechtigkeit. Nur in einer Gesellschaft, in der die Rechte aller Individuen gewahrt werden, ohne auf ihre Religion und Kultur zu sehen, kann von Gerechtigkeit gesprochen werden. Viele Verse des Korans weisen auf die Bedeutung und Erfordernis der Gerechtigkeit hin: O ihr, die ihr glaubt! Tretet für die Gerechtigkeit ein, wenn ihr vor Gott Zeugnis ablegt, und sei es gegen euch selber oder euere Eltern und Verwandten. Handele es sich um arm oder reich, Allah steht euch näher als beide. Und überlaßt euch nicht der Leidenschaft, damit ihr nicht vom Recht abweicht. Wenn ihr (das Recht) verdreht oder euch (von ihm) abkehrt, siehe, Allah weiß, was ihr tut. [4:135] Unser Prophet sagte: „Diejenigen, die gerecht herrschen und zu denen, für die sie die Verantwortung tragen, gerecht sind, werden bei Allah auf einem Podest aus Licht stehen.“ (Muslim, Imâra, 18)

Verehrte Geschwister,

Muslime dürfen, wenn es um Gerechtigkeit geht, nur um Allahs Willen handeln. Deshalb haben und werden wir uns stets auf die Seite der Unterdrückten stellen und uns gegen die Ungerechten wenden, egal welcher Religion sie angehören. Denn wir wissen um den Vers: O ihr, die ihr glaubt! Steht in Gerechtigkeit fest, wenn ihr vor Allah bezeugt. Der Haß gegen (bestimmte) Leute verführe euch nicht zu Ungerechtigkeit. Seid gerecht, das entspricht mehr der Gottesfurcht. Und fürchtet Allah. Siehe, Allah kennt euer Tun.“ [5:8] Auch folgende Begebenheit ist von großer Bedeutung: Der Kalif Umar und ein anderer Gefährte des Gesandten Gottes, Ubaj bin Kâb, begaben sich aufgrund einer Streitigkeit zu Zajd bin Thâbit, dem Richter von Medina. Der Richter behandelte Umar sehr zuvorkommend und ließ ihm ein Sitzkissen bringen. Der Kalif wandte sich an Zajd und sagte: „Dies ist die erste ungerechte Entscheidung in diesem Verfahren, die du gefällt hat. Ich werde mich dahin setzten, wo mein Gegner sitzt.“ Im Verlauf des Verfahrens ergab es sich, dass Umar einen Eid leisten musste. Der Richter sagte zu Ubaj, dass es sich nicht ziehmen würde, einen Eid vom Kalifen zu fordern. Doch Umar legte den Eid ab und sagte wütend: „Solange Zajd nicht gelernt hat, dass er den Kalifen und einen anderen Muslim gleich behandeln muss, sollte er keine Urteil fällen.“

Verehrte Muslime,

in der islamischen Geschichte gibt es viele solcher Berichte. Die Muslime haben immer versucht gemäß den Prinzipien, die in diesen Berichten zum Vorschein kommen, zu handeln. Seit zwei Wochen ist die Welt Zeuge der Angriffe auf die Palästinenser. Die Weltöffentlichkeit beobachtet, wie Männer und Frauen, Alt und Jung, den Attacken zum Opfer fallen. Als Muslime können wir nicht dulden, dass auch nur ein unschuldiger Mensch getötet wird. Doch müssen wir uns fragen, weshalb diejenigen internationalen Organisationen, die dafür gesorgt haben, dass die Kämpfe in Georgien nach drei Tagen enden, sich nicht gegen Israel wenden und ein Ende der Angriffe fordern. Die Frage drängt sich auf, ob die Reaktion ausbleibt, weil es sich hier um Muslime handelt. Wir rufen alle auf, sich in aller Deutlichkeit gegen diese schreiende Ungerechtigkeit zu stellen, sie zu verurteilen und mit den Opfern zu solidarisieren. Wir fordern von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und insbesondere der Organisation der Islamischen Konferenz, dass sie sich im Namen der Menschlichkeit für ein Ende der Angriffe einsetzten. Inzwischen dürfen wir nicht aufhören, unseren Geschwistern im Gaza-Streifen unsere finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Die IGMG bemüht sich unter allen Schwierigkeiten, diese Spenden ihrem Bestimmungszweck zuzuführen. Doch dass dies nicht ausreicht, kann jeder nachvollziehen. Möge Allah unsere Geschwister im Gaza und alle anderen Muslime beschützen und uns Gutes im Diesseits und im Jenseits geben.

IGMG-Irschadabteilung

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