Gemeinschaft

Häufig gestellte Fragen und ihre Antworten zum Schächten

25. Januar 2004

Wie steht der Islam allgemein zum Schächten?

Der Islamische Arbeitskreis der Muslime, in dem alle (d.h. auch DITIB, VIKZ und Islamrat und Islamische Weltliga) großen islamischen Gruppierungen zum gemeinsamen Handeln zusammengearbeitet haben, hat 1989 nach eingehender Prüfung zur islamischen Schlachtung festgestellt, dass es die feste Glaubensüberzeugung der Muslime in Deutschland ist, dass ihnen das betäubungslose islamische Schlachten vom Islam zwingend vorgeschrieben ist.

Zu dem gilt die Feststellung, dass insbesondere weniger praktizierende Muslime hierzulande ausdrücklich auf den Genuss islamisch geschächteter Tiere nicht verzichten wollen. Dies liegt sicherlich darin begründet, dass mehrheitlich türkisch-stämmige Muslime die vormals angebotene Ausnahmesituation aufgrund ihrer Tradition nie in Anspruch genommen haben.

Hat die El-Azhar Schächten mit Betäubung erlaubt und wie beurteilen wir die Elektrokurzzeitbetäubung in diesem Zusammenhang?

Die Stellungnahmen z.B. von Al-Azhar, in der von einem Ausnahmezustand der Muslime in Deutschland damals ausgegangen wurde – in Folge wurde argumentiert, dass aufgrund des Tatbestandes der Ausnahmesituation eine Schächtung mit Betäubung eingeschränkt möglich sein sollte, damit die Muslime überhaupt in den Genuss von Fleisch kommen können – entspricht nicht der gegenwartsbezogenen Situation der Muslime in Deutschland. Zudem sind ausländische Fetwas (Rechtgutachten) für die Muslime hier in Deutschland nicht bindend. Im übrigen gilt die Glaubensüberzeugung des Großteils der Muslime auf dieser Welt, dass ihnen das betäubungslose Schlachten (Schächten) zwingend vorgeschrieben ist.

Das Bundesverfassungsgericht spricht den Muslimen auf Grund ihrer islamischen Glaubensüberzeugung unmissverständlich das Recht zu, von der Ausnahmegenehmigung nach § 4 a Abs. 2 Tierschutzgesetz Gebrauch zu machen und auf Grund dieses Glaubens betäubungslos schächten zu dürfen, wie dies auch seit langem der jüdischen Religionsgemeinschaft zusteht. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass sich ‚der Staat einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten hat.‘ Das Bundesverfassungsgericht stellt weiterhin fest, dass der ‚Islam unterschiedliche Auffassungen zum Schächtgebot hat‘, und macht die Erlaubnis nicht von der Meinung ‚führender islamischer Gelehrter‘ abhängig. Einzig und allein zählt die Glaubensüberzeugung der Antrag stellenden ‚Gruppe‘.

Die Elektrokurzzeitbetäubung stellt für uns ebenfalls eine Betäubung dar. Im Zusammenhang des Schlachten eines Tieres nach Zulassungspflicht § 14 Absatz 2, Nr. 3, TierSchlV wird auch von Vorbehandlung gesprochen. Der Begriff „Vorbehandlung“ in diesem Zusammenhang ist ein Euphemismus. Zudem möchten wir auf die Schwierigkeit der Fixierung solcher Geräte am Tier hinweisen. Oft kommt es vor, dass das Tier dann im halbwachen Zustand Verletzungen erleidet, da es eben nicht wie angenommen ruht und weitere Elektroschocks so nötig sind.

Schächten im internationalen Vergleich

In den vielen europäischen Ländern wird Muslimen und Juden gewährt, nach ihren herkömmlichen Weise zu schächten (z.B. Frankreich, Spanien, Holland, Belgien und Dänemark). Nur in Deutschland war und ist das noch ein Problem, dies in die Praxis umzusetzen.

Gibt es einen Regelungsbedarf im Hinblick auf eine Änderung des Tierschutzgesetztes?

Die Muslime in Deutschland ringen um eine Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) gemäß Tierschutzgesetz und drängen damit auch auf Gleichbehandlung mit den Juden, denen eine solche Ausnahmegenehmigung zugebilligt worden ist. Nach islamischem Verständnis ist das Tier ein Mitgeschöpf – deswegen haben die Muslime sich bereits vor dem Beschluss des Parlaments dafür eingesetzt, auch im deutschen Gesetz das Tier nicht als eine Sache sondern endlich als Mitgeschöpf anzuerkennen. Zudem muss ein Tier artgerecht gehalten werden. Eine industrielle Tier-Massenproduktion lehnen die Muslime genauso ab wie inhumane Transporte lebender Tiere.

Bei der Urteilsfindung wurde bereits eine Rechtsgüterabwägung vom Tierschutz auf der einen Seite und Religionsfreiheit auf der anderen Seite vollzogen. Durch das Schächturteil wurde gleichzeitig dem Tierschutz ein wesentlich höherer Stellenwert als früher zuerkannt und der Tierschutz im Islam erstmalig gewürdigt. Nach unserer Meinung hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung den Tierschutz bereits hinreichend berücksichtigt – sicherlich auch deswegen, weil schon zum Zeitpunkt der Entscheidung im Januar 2002 die Frage, ob der Tierschutz bereits indirekt in der Verfassung verankert ist, in der Fachliteratur sehr umstritten war.

Diese Ziele des ethischen Tierschutzes (Vermeidung unnötiger Qualen usw.) sind jetzt in Art. 20a des Grundgesetzes als Verfassungsziele (und nicht als Recht der Tiere!) aufgenommen worden. Es hat sich aber qualitativ an der Rechtslage nichts geändert: Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung den Gesichtspunkt des „ethisch begründeten Tierschutzes“ schon wie ein Verfassungsziel mitbehandelt. Es hat in einer anderen Passage des Urteils außerdem noch einmal betont, dass der Tierschutz einen hohen Gemeinwohlbelang besitzt. Trotz dieser ausdrücklichen Anerkennung des Tierschutzes ist das Gericht in seiner Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass die Grundrechte des muslimischen Metzgers und seiner Kunden den Vorrang haben.

In der Diskussion hat sich nach unserer Meinung auch mancherorts ein Denkfehler eingeschlichen: Oft wird dargelegt bei der Religions- und Berufsfreiheit und beim Tierschutz handele es sich um „Verfassungsgüter“. Diese Bezeichnung ist aber irreführend: Die Religionsfreiheit und die Berufsfreiheit sind Menschenrechte, während der Tierschutz ein (objektives) Verfassungsziel ist, ebenso wie der Umweltschutz. Verfassungsziele sind zwar bei der Auslegung von Gesetzen und bei einer Abwägung mit den Menschenrechten zu berücksichtigen, sie haben aber auf keinen Fall den automatischen Vorrang, und sie sind den Menschenrechten auch nicht gleichgestellt.

Situation vor Ort in Behörden und Politik

Die Bereitschaft des Zentralrats und des Islamrats, mit den Ministerien und Ämtern hinsichtlich eines besseren Tierschutzes zusammenzuarbeiten, wurde oft nicht aufgegriffen.

Untergeordnete Behörden haben durch Hinhaltetaktik das höchstrichterliche Urteil aus Karlsruhe faktisch außer Kraft gesetzt. Dies wurde bereits zweimal zum Zeitpunkt des Opferfestes der Muslime allzu deutlich (statistische Daten vorhanden).

Manche Stellen versuchten das Urteil durch Erlasse und Anordnungen zu unterlaufen, andere wiederum wiesen ihre Veterinärämter direkt und schriftlich an, Muslimen grundsätzlich die Ausnahmegenehmigung zu verweigern. Diese bisherige und zum Großteil in unserem Land praktizierte Vorgehensweise halten wir für rechtswidrig. Diese Umgangsweise ist höchst destruktiv und integrationsfeindlich, sie drängt die Muslime in das gesellschaftliche Abseits.

KIS

Eschweiler/Bonn den 07.01.04

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