Gemeinschaft
„Ihr seid die Zukunft, ihr seid es, die kommen werden“
02. April 2007Der von der Studentenabteilung des Jugendverbands der IGMG organisierte „Studententag“ hat unter der regen Teilnahme von rund 1600 Studenten am 31. März in Hagen stattgefunden. Bei der unter dem Motto „Die Zukunft in der Tradition“ betriebenen Veranstaltung fanden etliche Beispiele traditioneller Kunst ihre Liebhaber. Es wurden wunderbare Werke aus den Künsten der Tazhib, Abru, Miniaturen und Kalligraphien vorgestellt. Die türkische Gruppe „Istanbul Sazendeleri“ präsentierte zudem unter der Anleitung von Göksel Baktagir klassische Musikstück und unterstützten den hochgeschätzten Sufi-Musiker Veysel Dalsaldi bei seinem Auftritt. Veysel Dalsaldi berauschte das Publikum mit einem Soloauftritt, bei dem er aus dem Prophetengedicht des bekannten osmanischen Dichters Nabi vorlas.
Der Studententag wurde mit einer Koranrezitation von Sezai Cakan eröffnet, dem Ersten des europaweiten Koranrezitationswettbewerbs. Bei der im Anschluss vorgeführten Diashow wurden die Leistungen des IGMG-Jugendverbandes sowie seiner Studentenabteilung gezeigt und Anekdoten, Erlebnisse und Ratschläge der früheren Mitarbeiter des IGMG-Studentenverbandes über ihr Studentenleben dargestellt.
Nach der Rede des Vorsitzenden der Studentenabteilung, Celal Tüter, der auf den Begriff der Tradition einging, um das Motto der Veranstaltung verständlich zu machen, nahm das Wort der Vorsitzende des Jugendverbands der IGMG, Mesut Gülbahar. Er erinnerte die Zuschauer an die Worte des großen Imams al-Gazali. Al-Gazali sagte: „Die Zukunft erhält man, wenn man sich auf die Geschichte stützt.“ Gülbahar unterstrich so die Bedeutung, die Zukunft auf die Tradition zu stützen.
Der Generalsekretär der IGMG, Oguz Ücüncü, forderte bei seiner Rede die Muslime dazu auf, auf die Ablehnung, mit denen der Islam und Muslime in westlichen Ländern konfrontiert werden, gebührend und friedlich zu reagieren. Ücüncü wies darauf hin, dass – verstärkt durch die Sicherheitsmaßnahmen in manch europäischen Ländern – in der Bevölkerung das Bild vorherrschte, dass eine Minderheit der Muslime den Islam missbraucht, während die Mehrheit versucht, in Frieden mit anderen zu leben. Nach den Anschlägen in Holland und Groß-Britannien, deren Verantwortliche in diesen Ländern aufgewachsen und als integriert galten, entstand gegenüber dem Islam und den Muslimen generell die Forderung, ihren Glauben einer Aufklärung zu unterziehen. Diese Forderung gipfele schließlich in einer „Liebe es, oder verlasse es“-Haltung, die zu einer Kategorisierung der Glaubensinhalte in moderne und amoderne führe. Gegen dieses als moderaten Islam oder Euro-Islam bezeichnete Verständnis, müsse man sich offen aussprechen. „Wenn eines der elementarsten Eigenschaften von uns Muslimen die Verbundenheit mit dem Koran und der Sunna ist, so haben wir die Aufgabe, zu zeigen, wie ernst das Thema für uns ist“, sagte Ücüncü. Es obliege den Muslimen selbst, die Diskussionen darüber, was Bestandteil ihres Religionsverständnisses ist, mit Inhalt zu füllen, und diese Aufgabe nicht anderen zu überlassen. Ücüncü wies weiterhin darauf hin, dass die Haltung „Wenn sie uns nicht wollen, dann wollen wir sie erst recht nicht“, keine islamische Haltung ist und dass die Muslime sich am gesellschaftlichen Leben beteiligen und ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen müssen.
„Wenn wir der Gesellschaft, in der wir leben, keinen Beitrag leisten können, hat es keinen Zweck, diese Bürden, denen wir heute ausgesetzt sind, auf uns zu nehmen. Wenn wir jedoch uns als einen festen Teil der Gesellschaft sehen, so stellt sich uns die Aufgabe, diese mit unserem kulturellen Reichtum zu bereichern. Trotz der vielen bedauerlichen Ereignisse der letzten Zeit, dürfen wir auch die positiven Entwicklungen nicht aus dem Auge verlieren“, schloss Ücüncü seine Rede.
Dass die Muslime in Europa ein fester Bestandteil der Gesellschaft seien, betonte auch der Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, Yavuz Celik Karahan. Das Ankommen in der Gesellschaft sei aber nur möglich, wenn die Fundamente der eigenen Kultur dabei berücksichtigt werden, so Karahan weiter. Er appellierte an die Studenten zu Menschen zu werden, die Nachdenken und zum Nachdenken anregen. „Wir machen uns zur Aufgabe, zu hinterfragen, zu lernen und die Gründe unserer Schöpfung zu verstehen. Wenn uns dies nicht gelingt, so hat es für uns keine Bedeutung, so zusammenzukommen“, fuhr Karahan fort. „Wenn wir das uns eigene, das Band zwischen dem Herrn und uns vergessend studieren, werden wir nichts anderes als ein Teil der, den Menschen außer Acht lassenden, nach-industriellen Gesellschaft.“
Der IGMG-Vorsitzende nannte Beispiele aus dem Leben des geliebten Propheten Muhammed (saw) und mahnte die Teilnehmer an, keinen Zorn im Herzen zu halten, Ältere zu ehren und Jüngere zu lieben. Als Studenten in Europa dürfe man überdies die Probleme der Muslime in Europa nicht ignorieren. Es sei ihre Aufgabe, Lösungen für diese zu finden. Für Studenten, die mit diesen Vorsätzen arbeiten, sagte Karahan „Ihr seid die Zukunft, ihr seid es, die kommen werden“.
Anschließend ergriff Professor Numan Kurtulmus das Wort und legte die Erwartungen der islamischen Welt an die muslimischen Studenten in Europa dar. Er forderte die Studenten auf, unbedingt weitere Sprachen zu lernen, um die aktuellen Geschehnisse auf der Welt auswerten zu können. Wissen zu besitzen, sei in erster Linie eine Frage der Verantwortung. Die Jugendlichen sollten Verantwortung über sich selbst, die Welt, dem Jenseits, ihre Familien und der Gesellschaft tragen lernen, so Kurtulmus weiter.
Kurtulmus sagte weiter, dass sich die Welt heute mehr denn je nach dem Frieden sehne und gab aus der islamischen Geschichte das Beispiel des friedlichen Zusammenlebens der unterschiedlichen Religionen und Kulturen in Jerusalem. „Jeder hat das Recht, frei nach seinem eigenen Glauben zu leben, zu studieren und seinen Glauben den anderen Menschen näher zu bringen. Jeder muss aber auch den Glauben des anderen respektieren können. Und dafür spielt Gerechtigkeit eine große Rolle“, so Kurtulmus. Kurtulmus wies darauf hin, dass die Muslime keine Probleme mit dem Osten oder dem Westen haben, dass sich die Muslime den Kategorisierungen, denen sie oder der Islam immer wieder unterworfen werden, nicht apologetisch nähern dürfen.
Unterdessen nahm der frühere türkische Ministerpräsident Prof. Dr. Necmettin Erbakan an dem Programm mit einer Videobotschaft teil. Er forderte Studenten auf, für den Frieden in der Gesellschaft, in der sie leben, zu sorgen. Denn jeder Muslim soll auf oberster Stelle die Eigenschaft besitzen, barmherzig zu sein.
Erbakan sagte weiterhin, dass jeder Student neben dem Streben nach dem Wissen auch nach einer vollkommenen Persönlichkeit und dem Wohl der Gesellschaft streben müsse. Ein weiterer Gast der Veranstaltung war die türkische Soziologin Prof. Dr. Ümit Meric. Sie zeigte Beispiele von früheren Propheten und deren Beziehungen zu Juden und Christen auf. Studenten könnten heute Gemeinsamkeiten in diesen Beispielen entdecken und zum gegenseitigen Respekt und Frieden beitragen. Die IGMG-Studentenabteilung verlieh an diesem Tag auch erfolgreichen Studenten in Europa den Dr. Zeynel-Abidin-Preis, benannt nach einem der bedeutenden Persönlichkeiten der IGMG-Geschichte. Weiterhin beteiligten sich zahlreiche Regionalverbände und Abteilungen mit Ständen an dem Programm und hatten so die Möglichkeit, sich gegenseitig kennen zu lernen und über ihre Aktivitäten zu berichten. (ab)