Gemeinschaft
„Terima Kasih Banyak“ (Vielen Dank) IGMG
06. Januar 2007Banda Aceh, 31. Dezember 2006
Wie bereits am 30. Dezember berichtet, erreichten wir lange nach Mitternacht nach einer langen und strapaziösen Rückfahrt aus dem Flutkatastrophengebiet in Nord-Aceh unser Waisenheim in Banda Aceh.
Gemeinsam mit über zehntausend Menschen haben wir am 31. Dezember unter freiem Himmel auf dem großen Platz der Beitul Rahman Moschee, der Hauptmoschee Banda Acehs, das Eid-Gebet verrichtet. Die Atmosphäre war nicht wie in den letzten beiden Jahren so stark durch die Tsunami Erinnerungen getrübt, sondern mehr von Heiterkeit und Hoffnung geprägt. Zwei Jahre nach der verheerenden Tsunamikatastrophe, dem allein in Aceh ca. 190 000 Menschen zum Opfer fielen, versuchen die Menschen hier wieder ein normales Leben zu führen. Viele von ihnen leben nun in temporären Häusern, die von einer Reihe von Hilfsorganisationen gebaut wurden. Einige haben sich bereits wieder an den Bau neuer Häuser gemacht und so herrscht in Banda Aceh ein reges Treiben und eine energische Aufbruchsstimmung.
Das Waisenheim und Bildungszentrum der IGMG in Banda Aceh ist nun auch seit einiger Zeit in Betrieb und die hier lebenden 32 Kinder konnten sich pünktlich zum Opferfest über die Lieferung der nagelneuen Computer für ihren IT-Raum freuen. Täglich kommen neue Kinder aus umliegenden Dörfern und anderen Waiseheimen hinzu. Bis Ende Januar sollen es 50 Kinder werden. Der Komplex bietet auch einer größeren Zahl von Kindern ausreichend Platz.
Nach der Verteilung der Opfertierpakete an die Bewohner der umliegenden Dörfer im Zentrum unseres Waisenheimkomplexes begangen wir mit einem kulinarischen Mahl gemeinsam mit den Kindern das Opferfest im Speisesaal, welches einen imposanten Blick auf die anliegenden Reisfelder bietet. Im Anschluss verteilten wir Süßigkeiten, Stifte und Taschengeld, worüber sich die Kinder riesig freuten. Einige von ihnen gelobten fleißig zu lernen, um in der Zukunft sich bei den Spendern in Europa persönlich bedanken zu können sowie um später ein weiterführendes Studium aufzunehmen. Auch die Beschäftigten der Waisenheimeinrichtung gingen nicht leer aus. Vom Wachmann über die Köchin bis hin zur Psychologin erhielt das ganze Personal jeweils eine Armbanduhr als Dank für die bisher geleistete Arbeit. Im Anschluss an die Feier diskutierten wir in einem Meeting mit dem gesamten Personal, was in Zukunft noch verbessert werden kann. Am Ende wurde uns noch eine Wunschliste überreicht. Das Gespräch war dabei so interessant, dass wir vergaßen auf die Zeit zu achten, so dass wir daraufhin noch unseren Flug nach Jakarta verpassten. Allah sei Dank konnten wir noch zwei Tickets für den letzten Flug des Tages aus Banda Aceh bekommen und „rutschten“ im Himmel Indonesiens ins Jahr 2007.
Jakarta, 01. Januar 2007
Nach einer nur sehr kurzen Nacht ging es am Morgen des Neujahrs gleich für uns beide weiter. Auf dem Programm stand die Verteilung von Opfertierpaketen in zwei Armenvierteln Jakartas. Der erste Standort Pademangan befindet sich im Norden Jakartas. In Pademangan leben mehrere tausend Menschen in selbstgebauten Wellblech-und Kartonhütten unter sehr erbärmlichen Umständen. Viele Menschen haben hier keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und sauberem Trinkwasser. Die einzige Einnahmequelle ist der Fischfang vom benachbarten Fluss, der auch regelmässig wahrend der Regenzeit das Dorf überflutet. Hier wurden wir bereits vom gesamten Dorf mit großer Ungeduld erwartet. Insbesondere die Kinder freuten sich über diese seltenen „weißen“ Besucher. Neben den Opfertierpaketen verteilten wir auch Briefumschläge mit Geldspenden an die Bewohner. Dabei suchten wir die Menschen in ihren Hütten auf. Der Dorfvorsteher führte uns hierbei zu besonders Not leidenden Familien und Kindern.
Nachdem wir uns von den Menschen in Pademangan verabschiedeten, fuhren wir weiter zum zweiten Standort außerhalb Jakartas. Auf der Fahrt sprachen wir von den schrecklichen Umständen unter denen die Menschen in Pademangan leben und dass diese wohl noch kaum zu unterbieten seien. Wir hatten uns jedoch leider sehr stark getäuscht. Bantar Gebang ist ein Dorf, das inmitten der Mülldeponie Jakartas 1997 errichtet wurde. Ausnahmslos leben die mehr als 1000 Bewohner vom Müll. Hier sammeln sie zwischen den Müllbergen Plastik, Holz, Metall etc., um diese später an Großabnehmer zu verkaufen. Den unausstehlichen Gestank des Abfalls konnten wir bereits weit außerhalb des Dorfes wahrnehmen. Hierdurch hatten wir schon vor der Ankunft eine Vorstellung von dem, was uns erwartet. Als wir aus dem Wagen stiegen, waren wir „ganz unten“ angekommen. Das Elend der Menschen hier ist unvorstellbar. Zwischen tonnenweise Abfall, unerträglichem Gestank und Scharen von Fliegen leben teilweise drei Generationen. Doch in all diesem Elend gibt es auch Hoffnung. Resa Aprianengsih ist 20 Jahre alt und studiert Informationstechnik an einer Universität. Ihre Familie arbeitet auch auf der Mülldeponie und ihre Mutter unterstützt Resa mit allen Mitteln, damit wenigstens eines ihrer drei Kinder den Weg aus diesem entsetzlichen Teufelskreis am Rande der Gesellschaft findet. Viele der Kinder gehen nicht zur Schule, da die Eltern die Transport- und Schulgebühren nicht bezahlen können. Auch ist ihre Mitarbeit auf der Mülldeponie unentbehrlich. Da Resa sehr gut englisch spricht, arbeitet sie auch „ehrenamtlich“ für UNICEF und klärt Eltern über Krankheiten auf. Resa möchte nach ihrem Studium eine gutbezahlte Arbeit aufnehmen, um weiteren Kinder den Aufstieg zu ermöglichen. Sie hat bereits den Kampf gegen das Elend aufgenommen und neben der Hütte ihrer Familie ein Klassenzimmer gebaut, in dem sie die Kinder täglich für ein paar Stunden unterrichtet. Diese aufopferungsvolle Arbeit von ihr unterstützten wir ebenfalls. Inschallah wird sie in zwei Jahren die erste Uniabsolventin dieses Dorfes sein. Nachdem wir mit Schwester Resa im Dorf Spenden verteilt hatten, wurden unter reger Anteilnahme der Bewohner die Opfertiere geschächtet und in gerechter Weise an die Menschen verteilt.
Yogjakarta, 02. Januar 2007
Nach den ernüchternden Eindrücken der Elendsviertel von Jakarta konnte der dritte Tag nur noch besser werden. Wir kamen bereits um 7 Uhr morgens am Flughafen von Yogjakarta in Zentraljava an, dass am 27. Mai 2006 von einem gewaltigen Erdbeben heimgesucht wurde, bei dem ca. 7000 Menschen ums Leben kamen und über 100 000 Menschen mit einem Schlag obdachlos wurden. Die IGMG hatte damals bereits Soforthilfen der PKPU bereitgestellt. Da die Menschen weiterhin auf Hilfen angewiesen sind, haben wir uns entschlossen, Yogjakarta dieses Jahr als ein Standort für die Opfertierkampagne in Indonesien aufzunehmen. Eine große Zahl der Familien lebt noch weiterhin in Zelten oder in bedürftig gebauten Bambushütten. Die lokalen PKPU-Mitarbeiter führten uns durch die zerstörten Dörfer nach Bantul, wo die erste Station für die Verteilung der Opfertiere war. Eindrucksvoll schilderten uns die Bewohner, wie sie das Erdbeben erlebt hatten und unter welchen Umständen sie gerettet wurden. Es gab sehr viele Opfer, die ein Leben lang von den Verletzungen gezeichnet sind. Nach der üblichen Opfertiervergabe gaben wir dem lokalen Team des landesweiten Radiosenders MQFM (Manajemen Qolbu 92.3FM) in ihrem mobilen Sendewagen ein Interview. Dabei berichteten wir über die Hilfsaktionen der IGMG seit dem Tsunami in Indonesien in Partnerschaft mit der PKPU.
Unsere nächste Station war das Dorf Imogiri, hier wurden wir schon sehnsüchtig erwartet. Nach unserer Ankunft wurden sofort die Vorbereitungen für die Verteilung getroffen. Die Dorfmoschee wurde bei dem Erdbeben stark beschädigt, woraufhin wir für die Wiedereinrichtung der Bibliothek dem Imam eine Geldspende übergeben haben.
Die letzte Station unserer diesjährigen Opfertierkampagne in Indonesien führte uns nach Klaten in das Dorf Kebondalem, das eine Autostunde von Yogya liegt. Dort trafen wir bei der Verteilung der Spenden unter anderem auf einen über 90-jährigen Mann, der seine Tochter bei dem Erdbeben verlor und sich nun um seine Enkelin kümmert. Ein weiteres Opfer war eine 16-Jährige, die während des Erdbebens unter einer eingestürzten Mauer begraben wurde und nun an den Rollstuhl gefesselt ist.
Zum Abschluss dieses Tages veranstaltete das lokale PKPU-Team ein Fest für die Kinder, an dem wir mit Freude teilnahmen. Die strahlenden Augen der Kinder angesichts der verteilten Süßigkeiten und Taschengelder waren ein herzerfüllender Anblick, insbesondere nach den schrecklichen Bildern der vergangenen Tage.
Heute werden wir inschallah mit der PKPU unsere beiden geplanten Hilfsprojekte für Yogjakarta besprechen. Die IGMG plant in Zusammenarbeit mit der PKPU die Errichtung einer ambulanten Praxis als auch eines kommunalen Bildungszentrums. Dafür werden wir geeignete Standorte bzw. Grundstücke inspizieren und die vorgeschlagenen Baupläne auswerten.
Aus Indonesien senden wir ein herzliches „TERIMA KASIH BANYAK“ (Vielen Dank) von allen Muslimen.