Pressemitteilung

Generalsekretär Ücüncü warnt vor Ausgrenzung muslimischer Frauen

04. Juli 2002

Der Generalsekretär der IGMG, Oguz Ücüncü kritisierte das Urteil des BVerwG zum Kopftuch und sagte: „Das BVerwG hatte auch bei der Frage des Schächtens eine Entscheidung getroffen, die vom BVerfG als verfassungswidrig eingestuft und aufgehoben wurde. Ich nehme an, dass Frau Ludin jetzt Verfassungsbeschwerde einlegen wird und hoffe, dass das BVerfG der Ausgrenzung der muslimischen Frau vom Lehramt eine klare Absage erteilt“.

Denn diese Entscheidung des Gerichts ist sowohl in juristischer, als auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht höchst bedenklich. Die Religionsfreiheit von kopftuchtragenden muslimischen Lehrerinnen wird eingegrenzt und ihnen der freie Zugang zum öffentlichen Amt, welches ein Verfassungsrecht ist, unmöglich gemacht.
Gesellschaftspolitisch nährt sie Vorurteile gegenüber Muslimen, ermutigt zur weiteren Diskriminierung der Muslime auf allen gesellschaftlichen Bereichen und hat eine kontraproduktive Wirkung auf die Integrationsbemühungen der Muslime.

Die Kernaussage des Urteils ist, dass der Staat zur Neutralität verpflichtet wäre und dieses Prinzip staatlichen Handelns mit einer Muslima als Lehrerin, die bei der Ausübung ihrer Lehrtätigkeit ein Kopftuch tragen möchte, nicht zu vereinbaren sei. Offensichtlich gehen die Richter von einem falschen Verständnis des Neutralitätsprinzips aus. Denn die Neutralität des Staates in Glaubensfragen dient gerade dem Grundrecht der Religionsfreiheit, sie gewährleistet, dass der Staat religiös-weltanschaulich unparteiisch ist und durch die Verwirklichung der Religionsfreiheit überhaupt erst möglich macht. Artikel 33 III unserer Verfassung sagt explizit, dass die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig vom religiösen Bekenntnis zu erfolgen hat und jede Benachteiligung wegen religiöser Anschauung unzulässig ist.
Gerade in der Schule als ein Lebensbereich, in dem sich verschiedenste Standpunkte, Bekenntnisse, Anschauungen, Überzeugungen und Werthaltungen unmittelbar begegnen, ist eine wechselseitige Toleranz unerlässlich. In der Betonung des freien Individuums in der Tradition von Humanismus, Renaissance und Aufklärung, die dazu erziehen soll, Grundrechte für sich und andere wirksam werden zu lassen und die Beziehung zu anderen Menschen unter anderem nach dem Grundsatz der Toleranz im Umgang zu gestalten, liegen die Kernaufgaben der Schule. Eine muslimische Lehrerin würde diesen Erziehungszielen viel beitragen, sie hätte schon allein durch ihr Kopftuch anregen können, über andere Kulturen und Religionen nachzudenken, sie könnte durch Vermittlung Vorurteile abbauen und zu einem besseren Verständnis helfen.

Die IGMG warnt vor einer zivilisatorischen Abgrenzung der Mehrheitsgesellschaft und einem Toleranzverständnis, demzufolge es sich nicht mehr um jene von der Mehrheit gegenüber der Minderheit zu übende Tugend, sondern um ein Verhalten der Minderheit handelt, mit dem diese die Entfaltung der Mehrheit zu dulden hat. Art. 4 GG schützt den Einzelnen nicht nur gegen die Intoleranz seiner Mitmenschen, sondern verpflichtet ihn auch, ihnen gegenüber die gleiche Duldsamkeit zu erweisen, die er für seine eigene Überzeugung in Anspruch nimmt. Der Vorstand der IGMG ist davon überzeugt, dass die Diskriminierung von kopftuchtragenden muslimischen Lehrerinnen, spätestens durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aufgehoben sein wird.

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