Gemeinschaft
25000 Teilnehmer beim „Tag der Brüderlichkeit und Solidarität“ in Hasselt
02. Juni 2008Nachdem die Veranstaltung mit einer Koranrezitation durch den Gewinner des 20. Koranrezitationswettbewerbs, Fatih Çicek, eröffnet wurde, begrüßte Sami Ganioğlu, stellvertretender Vorsitzender der IGMG und Leiter der Abteilung für Gemeindeentwicklung, die Gäste. Ganioğlu erinnerte an den Grund dieses großen Treffens und dankte allen Gästen, die keine Mühe gescheut haben und aus vielen europäischen Ländern zu dieser Veranstaltung gereist sind. Nachdem die einzelnen Regionalverbände und deren Vorsitzenden vorgestellt wurden, wurde eine Präsentation über die historische Entwicklung und die Tätigkeitsbereiche der IGMG gezeigt.
Anschließend stellte der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş, Oğuz Üçüncü, die Arbeit der IGMG seit dem Treffen im vergangenen Jahr vor. Üçüncü begann seine Rede mit einem Bittgebet für Brüderlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit und fügte hinzu, dass die IGMG bei all ihrer Arbeit nur das Wohlwollen Allahs vor Augen habe. Trotz all der geleisteten Arbeit, die ein Ausfluss des religiösen Selbstverständnisses der IGMG sei, würden Anhänger der IGMG als Fundamentalisten, Extremisten oder zumindest Konservative bezeichnet. Üçüncü setzt dem entgegen, dass den Muslimen keine andere Bezeichnung gebühre als diejenige, die ihnen im Koran gegeben sei. Im Koran bezeichne Allah die Gläubigen als „Muslime“, also ihm Ergebene; alle anderen Benennungen seien abzulehnen.
Üçüncü fuhr wie folgt fort: „Als religiöse Gemeinschaft ist es unser Ziel, ein Leben gemäß dem Koran und der Sunna zu führen und unser Verständnis anderen mitzuteilen. Ein an den Geboten des Islams orientiertes Leben widerspricht weder den rechtlichen Grundlagen demokratischer Staaten, noch fördert es Parallelgesellschaften.“ Aus diesem Grund seien die Vorbehalte gegenüber der IGMG unbegründet. Vielmehr leiste der Verband einen wichtigen Beitrag zur Integration.
In diesem Sinne seien beispielsweise die Opfertierkampagne, die Koranrezitationswettbewerbe, die Aus- und Fortbildung von Imamen, die Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen, die Jugendarbeit sowie die Publikationen der IGMG zu nennen. Aus diesem Blickwinkel sei auch die Unterstützung an die Bedürftigen zu sehen, sowie die humanitäre Hilfe zum Beispiel an die Menschen im Gazastreifen, dem „größten Freiluftgefängnis der Welt“.
In der anschleißenden Rede, sprach der IGMG-Vorsitzenden Yavuz Çelik Karahan besonders eindringlich von der Notwenigkeit des positiven Beitrags der Muslime in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in Europa: „Als Muslime mit Persönlichkeit müssen wir am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, so dass unser Platz nicht von jenen eingenommen wird, die ein negatives Bild vermitteln. Das gesellschaftliche Leben darf kein Leben zwischen Übertreibung und Unterlassung sein, es muss vielmehr ein ertragreiches Gleichmaß herrschen. Es gehört zu unseren Pflichten dafür zu sorgen, dass die Muslime überall im gesellschaftlichen Leben präsent sind. Die muslimischen Familien sollten zu beliebten und vertrauten Menschen in ihren Wohngegenden werden. Es gehört heute zu unseren Pflichten, in den Ländern in denen wir leben, einen kulturellen Beitrag zu leisten. Es ist unsere Pflicht dem Islam im europäischen Raum nicht länger die Rolle des Gastes zuzuweisen, sondern die Rolle des Gastgebers anzunehmen. In dieser Zeit, in der die ungerechte Einkommensverteilung zunimmt, tragen wir die Verantwortung Alternativen zu bieten, die die Beziehung zwischen den Menschen und den materiellen Werten wieder in ein gesundes Ausmaß bringen können. Wir tragen die Verantwortung deutlich zu machen, dass Unterschiede keine Probleme verursachen, dass sie vielmehr eine Bereicherung sind. Wir tragen die Verantwortung unseren Mitmenschen in Europa gegenüber, die Kulturen unserer Herkunftsländer bekannt zu machen. Dies müssen wir auf die beste Weise machen. Beim Kennen lernen dürfen wir Diskussionen nicht ausschließen, um so zu einem besseren Verständnis zu gelangen. Die Anfangszeit der 47 jährigen Migrationsgeschichte war geprägt von den Bestrebungen, Gebetsräume zu errichten. Heute hingegen haben wir abgesehen von dieser Erwartung auch neue Pflichten. Wir tragen die Verantwortung, den Islam an die nächsten Generationen der Muslime in Europa zu vermitteln und dafür zu sorgen, dass sie ihren Platz in der Gesellschaft in der sie leben, einnehmen.“
Mit dem Verweis, dass kein Muslim, seine Augen vor Unterdrückungen und Ungerechtigkeiten verschließen darf, stellte Karahan auch Forderungen an die Türkei: „Wir wollen keine Türkei, die ihre Intellektuellen, Politiker und Studenten, ja sogar die eigene Bevölkerung als Bedrohung auffasst. Wir wünschen uns eine Türkei, die in Frieden mit ihrer Bevölkerung, mit ihrer Geschichte lebt, die Gerechtigkeit und Freiheit zu ihren Grundprinzipien erklärt und keine Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit hat.“
Auch dem Vorsitzenden des Islamrates und derzeitigen Sprecher des KRM, Ali Kızılkaya, wurde die Gelegenheit gegeben, ein Grußwort an die Teilnehmer zu richten. Kızılkaya wies darauf hin, dass die Gesellschaft sich schwer tue, die Muslime als vollständige Mitglieder zu akzeptieren. Die Kooperation der muslimischen Verbände und die Ausbildung kompetenter Muslime sei dabei eine Voraussetzung, um den Prozess der Akzeptanz zu beschleunigen. Der KRM-Sprecher bedankte sich bei der IGMG, die mit ihrer Arbeit einen großen Beitrag zur Akzeptanz der Muslime in Europa leiste.
Des Weiteren wurde einem Mitglied des indonesischen Parlaments, Suryama Majana Sastra, das Wort gegeben. Sastra bedankten sich bei der IGMG für deren Hilfsaktionen wie beispielsweise die Opfertierkampagne und die Hilfe nach dem Tsunami.
Unter den Gästen befand sich auch der bosnische Großmufti Prof. Dr. Mustafa Ceric, der sich gegen jede Art von Assimilation und Entfremdung von Werten und für Dialog und Solidarität aussprach. Ceric, der darauf verwies, dass es unbedingt erforderlich sei, auch in schlechten Zeiten Brüderlichkeit an den Tag zu legen, bemerkte auch, dass man, bevor man einen Dialog mit anderen führt, sich erst die Muslime untereinander besser kennen lernen müssen. Mustafa Ceric erinnerte ebenfalls an die Geschichte des Islams in Europa und die Erfordernis des positiven Beitrags der Muslime.
Im zweiten Teil der Veranstaltung, dem kulturellen und musikalischen Teil, traten der Kinderchor der IGMG-Bildungsabteilung, die Gruppe „Tevazu“ sowie die bekannten Sänger Mehmet Akca, Mesut Kurtis und Bayram Bilge Tokel auf.
Die Veranstaltung bestach auch mit einem reichen Rahmenprogramm. Während es zahlreiche Essensstände von Ortsvereinen gab, konnten sich die Besucher in einem eigens von der IGMG-Bildungsabteilung eingerichteten Halle, über das Angebot von verbandseigenen Bildungsinitiativen von Australien bis zu den Niederlanden informieren.